Full text: Grundriß des Staatsrechts des Königreichs Sachsen.

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bemerkten Gesetzes von 1870 anerkannt, daß der Angehörige 
einer recipirten christlichen Kirche aus derselben nicht austreten 
könne, ohne gleichzeitig in eine andere recipirte christliche Kirche 
einzutreten. Doch war offenbar zu dieser Zeit die allgemeine 
Annahme, daß für alle andere Confessionen diese Beschränkung 
nicht stattfinde, daß also der Austritt aus denselben möglich sei, 
ohne Eintritt in eine andere Religionsgesellschaft, daß also inso— 
weit auch Confessionslosigkeit rechtlich zulässig sei. Wie es mit der 
Fundirung dieser Ansicht steht und ob dieser Unterschied rechtlich 
gemacht werden konnte, kann unerörtert bleiben. Die constitutionelle 
Gesetzgebung hinsichtlich dieser Fragen, wie sie bis zum Jahr 1870 
vorlag, betraf wesentlich nur den Uebertritt von der katholischen 
zur evangelischen Kirche und umgekehrt, und die Wirkung der 
Confession der Eltern für die Kinder; eine andere Consession kam 
für die Kinder nicht in Betracht. Sie war enthalten in dem 
(Mandat vom 19. Februar 1827 § 52) Mandat vom 2. Februar 
1827 und Gesetz vom 1. November 1836 (welches den § 52 des 
Mandats vom 19. Februar und 3 11 des Mandats vom 20. Fe- 
bruar 1827 aufhob). Nun kam aber weiter § 20 des Gesetzes 
vom 20. Juni 1870, der seinerseits wieder Zweifel, namentlich 
hinsichtlich seiner Tragweite erregt. 
§ 20 cit. Abs. 1 gestattet den selbständigen Austritt aus 
einer vom Staat anerkannten Religionsgesellschaft d. h. aus einer 
recipirten christlichen Kirche auch ohne gleichzeitigen Uebertritt zu 
einer anderen solchen jedem Staatsangehörigen, welcher das 
21 Jahr vollendet hat. § 20 bezieht sich also seinem Wortlaut 
nach nur auf den Austritt aus einer aufgenommenen Kirche. Da 
dieser zugelassen wird ohne Uebertritt zu einer anderen, so ergiebt 
sich daraus zweierlei: einmal ist die rechtliche Möglichkeit der 
Confessionslosigkeit in soweit zugelassen, woraus weiter gefolgert 
werdeu darf, daß sie überhaupt zugelassen ist; — sodann muß 
§ 20 nothwendig auch gelten für jeden Uebertritt zu irgend einer 
anderen Religionsgesellschaft, sei es eine recipirte Kirche oder nicht; 
dies ergiebt sich auch in der That aus den Verhandlungen mit 
den Ständen; die früheren Vorschriften hinsichtlich des Uebertritts 
von einer recipirten christlichen Kirche zur andern fallen also weg, 
sofern sie mit § 20 nicht übereinstimmen.
	        
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