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saͤmmtliche Richter sich uͤberzeugt finden,
daß die Geschwornen in der Hauptsache
sich geirrt haben, so hat der Schwurgerichts-
hof von Amtewegen die Urtheilsfällung aus-
zusetzen und die Sache, in so weit der An-
geklagte für schuldig erklärt wurde, an die
nächste ordentliche Sißzung zu verweisen,
damit cin anderes Schwurgericht darüber
entscheide.
In dieses kann sodann keiner der Ge-
schwernen eintreten, welche an dem ersten
Wahrspruche Theil genommen haben.
Der Wahrspruch des zweiten Schwur-
gerichtes muß selbst dann, wenn er mit je-
nem des ersten übereinstimmen sollte, dem
Urtheile des Schwurgerichtshofes zu Grunde
gelegt werden.
Art. 213.
Haben sich im Laufe der öffentlichen
Verhandlung neue in der Anklageschrift
nicht enthaltene Thatsachen ergeben, welche
den Verdacht eines anderen Verbrechens
oder Vergehens gegen den Angeklagten be-
gründen, so ist in nachstehender Weise zu
verfahren:
1) Hat der Angeklagte wegen der That,
worauf die Anklage gerichtet war,
ein freisprechendes Erkenntniß erlangt,
und beantragt der Staarsanwalt we-
gen der neu enrdeckten Uebertretung
eine weitere strafgerichtliche Verfol-
gung, so verweist der Schwurge-
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richtehof die Sache vor den Unter-
suchungsrichter und erläáßt zugleich
einen Verhaftebefehl gegen den Be-
schuldigten, soferne die Bedingungen
hiezu vorhanden sind;
1) ist dagegen der Angeklagte verur-
theilt worden, so funder eine solche
Verweisung vor den Untersuchungs-
richter nur unter der Vorauesehung
statt, daß das neu entdeckte Verbre-
chen von solcher Erheblichkeit ist, daß
den Angeklagten nach den über den
Zusammenfluß der Verbrechen gelten-
den gesetzlichen Vorschriften (Straf-
gesetzbuch Theil I. Art. 109. 110.)
eine schwerere Strafe als die bereits
verwirkte treffen kann.
In einem solchen Falle ist mit der
Vollstreckung des früheren verurthei-
lenden Erkenntnisses so lange inne zu
halten, bis auch über die neue Straf-
sache rechtekräftig entschieden ist.
Vierter Abschnitt.
WVon der Vollstreckung des Urtheils.
Art. 214.
Ein von der Anklage freisprechendes
Erkenneniß (Art. 198.) wird sogleich nach
der Verkündung durch Freilassung des An-
geklagten in Vollzug gesetze, er müßte denn
aus einer anderen geseßlichen Ursache in
Verhaft zu bleiben haben.