Weltkrieg und Naturgeschichte.
Don
professor Dr. Ernst haeckel.
Der gewaltige Weltkrieg, welcher am 4. Zugust
1914 gleich einem verheerenden Orkan über Curopa
plötzlich ausbrach, hat beispiellose Dimensionen an-
genommen und unglaubliche Ereignisse hervorgerufen.
Wir stehen erstaunt und entsetzt vor einer Umwälzung
aller politischen Derhältnisse, vor einer tiefgehenden
Umwertung aller Werte, welche ihresgleichen nicht in
der ganzen Geschichte der Menschheit hat. Der Natur-
forscher, der gewohnt ist, allgültige Naturgesetze im
Menschenleben ebenso wie überall in der Ratur walten
zu sehen, sucht das Derständnis der neuen, jetzt zutage
tretenden Erscheinungen durch die Erkenntnis ihrer
bewirkenden Ursachen zu finden. Da bietet sich ihm
als sicherste Hührerin die moderne Entwicklungs-
lehre, jene „monistische Genetik“ oder „Evolutions=
theorie“, welche dem alten Begriffe der „Natur-
geschichte“ eine neue und tiefere Bedeutung ver-
liehen hat.
„Der Kampf ist der Dater aller Dinge“
(Polemos pater panton) — so sprach schon vor 2400
Jahren heraklit von Ephesus, jener tiefblickende,
griechische Philosoph, den wir zu den ältesten Monisten
rechnen müssen, und der auch den Grundgedanken
der Entwicklungslehre in zwei Worten zusammen-
faßte: „Glles fließt“ (Panta rhei) — alle Dinge
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