Das deutsche Wesen ist uns erschienen!
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Und wenn ich hundert Jahre würde, diese Tage
werde ich nie vergessen! Es ist das Größte, was wir
erlebt haben. Wir wußten nicht, daß so Großes erlebt
werden kann. Noch vor drei ochen wären wir un-
fähig gewesen, es uns auch nur vorzustellen. Dieses
Gefühl, etwas erlebt zu haben, was wir selber noch
gar nicht aussprechen können, überwältigt alle. Jeder
sieht's dem anderen an und fühlt's am Drucke seiner
entschlossenen hand. Reden ist unnütz geworden, jeder
weiß stumm, was jeder fühlt. Nichts lebt in uns als
das Eine, das Ungeheure: uns ist das deutsche Wesen
erschienen.
Wir haben einander endlich erblickt. Wir wissen
jetzt zum erstenmal, wie wir wirklich sind. Das ist das
unbeschreibliche Geschenk dieser großen Zeit. Davon
schlagen in dieser schweren Stunde die herzen alle so
hoch. Niemals sind wir ernster gewesen, aber auch
noch nie so froh. In einer gläubigen Sreudigkeit stehen
wir beisammen, die wir niemals kannten. Denn uns
ist das deutsche Wesen erschienen.
Wo war es so lange geblieben! Über Nacht stand
es auf. Und steht so stark da, daß nichts daneben mehr
Platz hat auf der deutschen Erde. Jeder andere Ge-
danke, jedes andere Gefühl ist weg. Es müssen Ge-
spenster gewesen sein, was wir sonst noch alles dachten
und fühlten: es hat getagt, sie sind verscheucht. Wir
haben uns wieder, nun sind wir nichts als deutsch; es
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