Der Geheime Staatsrat. 273
den Kopf wacker anstoßen müßte, alsdann würde er sich schon finden und wieder-
kommen". Wie sehr täuschte man sich! Wie anders lautete das Urteil, das
nach wenigen Jahren schon der oben erwähnte Reisende fällte! „Es ist also“
möglich“ — so schreibt der Freiherr von Losn 1718 — „daß man ein großer
König sein kann, ohne die Majestät in dem äußerlichen Pomp und in einem
langen Schweif buntfarbiger, mit Gold und Silber beschlagener Kreaturen zu
uchen. — Wenn man von dem Berliner Hof redet, so versteht man darunter
sast nur die Kriegsleute: diese allein machen den königlichen Hof aus. Die Räte,
Kammerherren, Hofjunker und dergl., wenn sie nicht zugleich Kriegsämter haben,
werden an diesem Hof nicht viel geachtet und kommen meistenteils wenig an den
Hof; die Gelehrten aber haben sich bei dem König am meisten verächtlich gemacht.
Er hatte einige dieser Leute um sich, weil er ihrer nicht entbehren kann, sie
sind aber bei weitem nicht so geschliffen, wie die Soldaten
ie oberste Staatsbehörde, der Geheime Staatsrat, war beim Regierungs-
antritt zusammengesetzt aus den einzelnen Ressortchefs — Heinrich Rüdiger von
Ilgen für das Auswärtige, Marquard von Printzen für die Hofsachen, das Lehn-
wesen, die Kirchen= und Schulangelegenheiten, von Kameke für das Kammerwesen,
von Blaspil für das Kriegswesen und Bartholdi für die Justiz. Friedrich Wil-
helm behielt diese Minister bei, setzte jedoch neben Ilgen noch den Grafen Christof
zu Dohna und Marquard von Printzen und neben Blaspil Friedrich Wilhelm
von Grumbkow, den zweiten Präsidenten des Generalkriegskommissariats. Dazu
traten die neu ernannten Feldmarschälle von Wylich-Lottum, der Herzog von
Holstein-Beck und vor allen Fürst Leopold von Dessau, der persönliche Freund
und Arbeitsgenosse des Königs, eine Natur von der größten Aehnlichkeit mit der
Friedrich Wilhelms, „ein Mann von fürchterlichem Ungestüm, eine wahre Winds-
braut von einem Menschen“. Doch kam der Geheime Staatsrat bei der Ueber-
lastung der einzelnen Minister und der Selbständigkeit des Königs bald nicht mehr
zu rechter Thätigkeit, zuletzt blieben ihm nur die Justizsachen.
Insbesondere die auswärtigen Angelegenheiten leitete Ilgen schon seit 1715
wieder ausschließlich allein, und der König liebte es, in vertraulichen Erörterungen
mit ihm die Rechte und Ansprüche des Staates zu besprechen, unter denen nament-
lich Schlesien keineswegs vergessen war. Erst als Ilgen hochbetagt war, wurde
ihm sein Schwiegersohn Freiherr von Cnyphausen und der Generallieutnant von
Borcke, obwohl sich dieser heftig sträubte, ein Amt anzunehmen, dem er nicht
gewachsen zu sein glaubte, zu Gehilfen bestellt. Zugleich war das hohe Alter
Ilgens — er war über 50 Jahre (seit 1679) im Dienst — für den König Ver-
anlassung, an eine prinzipielle Ordnung dieses Departements zu denken. Denn
es gab, wie Borcke schreibt, „in der That keinen Beamten, der so wie Ilgen,
gleichsam wie ein lebendiges Archiv, in allen Angelegenheiten des preußischen
Staates Bescheid weiß, dem Gott eine ungemeine Vivacität und Penetration, eine
Sache voll zu imaginieren und einzusehen, gegeben, und überdehm einen uner-
müdeten Geist zu solcher Arbeit, daß er von Jugend auf bey die 56 Jahre lang
das Handwerk ohne interruption getrieben, alle große revolutiones, so in so
langer Zeit in Europa vorgefallen, gesehen! Und weil an denen meisten das
Königl. Haus directement oder indirectement theil genommen, Er mit dabey die
Fedes gebrauchet, so hat solches alles, absonderlich bei einer so großen application,
nichts anders als eine vollkommene Fertigkeit, sich aus den schwersten Sachen
Berner, Gesch, d. Pr. Staates.