Full text: Geschichte des Preußischen Staates

392 Preußens Stellung zu den Mächten. 
von allen Schicksalsschlägen ungebeugte Willenskraft, sein Mut, seine Erfindungs- 
gabe, sein Geitt allein hatten den Staat gerettet, und folgerichtig ruhte daher auf 
seiner Person die Achtung, welche der Staat genoß. Dem Könige aber am 
wenigsten entging es, daß in der allein durch das materiel1- Interesse zusammen- 
gehaltenen oder zerrissenen Völkergemeinschaft das sittliche Uebergewicht, das seine 
überragende Persönlichkeit in die Wagschule warf, ein entscheidendes doch nicht 
immer sein konnte. Allzu schroff war und wird immer das Wesen des Staates 
Macht und wieder Macht sein, und von seiner Macht das geistige wie materielle, 
das sittliche wie das sinnliche Emporkommen eines Volkes zum großen Teile ab- 
hängen. Und wieder um Macht zu haben, um Macht zu sein, bedurfte der Staat 
sowohl einer Wiederbelebung seiner inneren Kräfte und Gestaltungen, die — wir 
kommen darauf zurück — teils verzehrt, teils wenigstens verkümmert waren, wie 
auch der guten Beziehungen wenigstens zu einer der Großmächte. Der König 
mußte eilen, von den Wunden, die der Krieg geschlagen, eher zu genesen, als die 
Feinde. Er mußte aber auch in dem Interesse, das die Großmächte wenigstens 
in dem Neid und der Mißgunst gegen Preußen gemeinsam hatten, denjenigen 
Punkt zu finden suchen, in welchem er einer von ihnen nütNlich sein konnte. Er 
mußte sehen, ob das ufice Interesse die Füörderung. eines fremden Interesses 
gestattete, ob er sich auf solcher Grundlage mit einer der Großmächte verbinden 
und so ihre durch die wero gegen Preußen gegründete Interessengemein- 
schaft zersprengen kön 
Oesterreich und Frntreich fielen bei solcher Erwägung nach dem, was ge- 
schehen war, ohne weiteres aus, denn blutige Köpfe erzielen nur selten eine 
Herzensgemeinschaft; England aber hatte, nachdem ihm Friedrichs Kriege, wie 
treffend gesagt wurde, Kanada in Deutschland erobert hatten, mit schnödem Verrat 
gedankt, und Bute, der Minister Georgs III., leitete die englische Politik auch ferner- 
hin ganz in den auserfahrenen Geleisen der Eifersucht des Velfenhaufes und der 
Selbstsucht des englischen Volkes. Allein Rußland blieb übrig und schien um so 
eher zu gewinnen, als mit der zunehmenden Schwäche des Türkenreiches der Kampf 
gegen den Halbmond nicht mehr in dem Grade wie früher ein Zusammenhalten 
mit Oesterreich notwendig machte. Vielmehr setzten die russischen Begierden auf 
türkische Länder, die Hoffnung, am Bosporus und am Schwa arzen Meer mit 
gleicher Willkür wie am finnischen Meerbusen zu gebieten, gerade eine Schmäle= 
rung der österreichischen Gewalt voraus. Eben dasselbe verlangten aber auch Ruß- 
lands Pläne. auf Polen. In der bodenlosen Zersplitterung, in dem fanatischen 
Religionseifer, in der ungebundenen, mit zügelloser Leidenschaft gemißbrauchten 
Verfassung, in der nichtswürdigen Knechtung der Unteren durch die Oberen, der 
würdelosen Kriecherei der Unteren vor den Oberen hatten die Polen längst so 
schwer an sich gesündigt, daß ihr Urteil reif war. Ob schon jetzt Katharina dem 
Gedanken, der wenigstens in der Luft lag, und den Panin offen aussprach, näher 
getreten war und die Verteilung der polnischen Länder beabsichtigte, mag dahin= 
gestellt bleiben. Am Tage lag, daß sie einen möglichst umfassenden Einfluß in 
Warschau zu üben wünschte. Und wieder diesen zu mäßigen, erforderte das 
Interesse Preußens. Nicht anders aber war dies bei der Eigenartigkeit des 
Geistes Katharinas und bei den Bocksprüngen, der, wie sie selbst zwischen Wollust 
und Schlauheit hin und her schwankenden, Minister als durch ein Bündnis zu 
erre ichen. Und soweit Katharinas Bestrebungen darauf ausgingen, beim Tode
	        
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