460 Neutralitätspolitik.
Osten, als plötzlich Napoleon im festen Vertrauen auf die feichliche, Gesinnung
des Königs die Neutralität Preußens mit dem Durchmarsch durch Ansbach in der
rücksichtslosesten Weise verletzte. Unwilliger und unwilliger zürnte das preußische
Volk ob der dreisten Willkür, verlangte den Kampf für die Ehre und Existenz
des gesamten deutschen Vaterlandes. Einen Augenblick schien selbst den w#ng
die Empörung hinzureißen, er schien gewillt, dem allgemeinen Zorne folgend,
Schwert gegen den Usurpator zu ziehen. Er gestattete nunmehr den e
der Russen und ließ — doch wieder in der Hoffnung, seine Neutralität zu wahren
— die Besetzung Hannovers vollziehen. Jetzt kam Kaiser Alexander, um den
#1805 König für den Kampf zu bestimmen, persönlich nach Berlin, und am 3. November
15. Dez.
1306
15.Febr.
805
26. Dez.
wurde zu Potsdam — man kennt die ergreifende Szene am Sarge König
Friedrichs, in der sich beide Herrscher ewige Freundschaft gelobten — ein
Vertrag geschlossen, in welchem Preußen sich zur bewaffneten Neutralität, zur
Forderung einer Reihe von Aenderungen in Europa und vornehmlich zur Räumung
Deutschlands von den französischen Truppen entschloß. Seit langer Zeit schon war
in Berlin, ja in ganz Preußen eine Partei thätig, welche mit Ungestüm den Krieg mit
Frankreich verlangte, und an ihrer Spitze stand ein Fürst von so ungewöhnlich
glänzender Begabung, wie der Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Schon
schleuderte Ernst Moritz Arndt im „Geist der Zeit“ seinen ganzen wilden pommer-
schen Zorn gegen den frechen Emporkömmling, und seine flammenden Worte fanden
lauten Widerhall bei der Kriegspartei. Durchaus nicht entsprachen jene Beschlüsse
den Wünschen dieser kampflustigen Patrioten, sie gerieten aber wie aus der Fassung,
als der Graf Haugwih, der, jene Forderungen an Napoleon zu stellen und ihn
hinzuhalten, in dessen Feldlager gesandt war, mit einem ganz entgegengesetzten
Ergebnis zurückkehrte. Napoleon hatte mit der Schlacht von Austerlitz nicht nur
Oesterreich, sondern die ganze Koalition ins Herz getroffen, und weder gewillt,
noch im stande, Preußen allein der Wut des allmächtigen Imperators auszu-
setzen, hatte Graf Haugwitz am 15. Dezember in Schönbrunn ein Abkommen mit
Napoleon getroffen, in welchem Preußen gegen Anerkennung des französischen Be-
sitstandes und gegen Abtretung von Cleve, Nürnberg und Ansbach das
Hannover erhielt. Ja als man in Berlin den hierfür geforderten Bund von
dem Abschluß des allgemeinen Friedens abhängig zu machen suchte, vernichtete
Napoleon den eben geschlossenen Vertrag und zwang (Paris, 15. Februar 1800)
Preußen, das inzwischen abgerüstet hatte und wehrlos vor der französischen
Uebermacht, die mit Leichtigkeit von Süddeutschland heranrücken konnte, dalag,
zu einem Bündnis, in welchem es die Schließung der Nordseehäfen und Lübecks
gegen England zusagte. Unfehlbar mußte, so war zu erwarten, einer solchen
Zusage der Krieg mit England folgen.
Allein selbst der Gewinn von Hannover blieb noch unsicher, die französischen
Truppen entfernten sich trotz des zu Preßburg abgeschlossenen Friedens zwischen
Oesterreich und Frankreich nicht aus Süddeutschland, und dem Schwergewicht,
mit welchem die französische Besatzung auf der preußischen Süd= und Westgrenze
lastete, fügte Napoleon eine weitere Rechtsverletzung hinzu, indem er Wesel mit
Frankreich und die Abteien Essen, Werden und Elten mit dem neuen Großherzog=
tum Berg vereinigen ließ. Natürlich, daß in Preußen das tiefe Sinken des
Ansehens mit großer Bitterkeit empfunden wurde, daß der König, längst tief
verletzt, im Innersten seiner Seele erzitterte über die Unbill, die Gewaltmaßregeln