Kaiser Friedrich. 741
Noch durchzittert uns der Schmerz dieses wunderseligen Sterbelagers, das
der Erde einen „Gottesfrieden“ gab, jenes Sterbelagers, wo die pflichttreue
Sorge des Kaisers um sein Volk noch ihres Amtes in der Unterweisung des
Enkels über die großen Fragen der Politik und in der Unterschrift unter das
Schriftstück, das den Schluß des Reichstages befahl, waltete, wo jenes „Ich habe
jetzt keine Zeit, müde zu sein“ dem Charakter des Kaisers und seines Hauses
einen allzeit die Herzen bewegenden Ausdruck gab. Am 9. März 1888 in der
Morgenfrühe ward Kaiser Wilhelm heim gerufen, und der gusrert hmerz
der Nation wand aufs neue ein Band der Einheit um das deutsche V
Einmütig hatte auch die Nation den letzten, den größten Schmerz des — ge-
teilt. Seit kurzem wußte er, daß die Tage
seines Sohnes und Nachfolgers gezählt
seien! Und als nun der todwunde Held
von Chlum und Wörth von Italien her
in die von Schnee und Eis starrende
Heimat zurückkehrte, um, allen Leides nicht
achtend, des kaiserlichen Amtes zu warten,
da richteten die Augen der ganzen Nation
sich nach Charlottenburg, wo der mit
warmer Begeisterung geliebte, hoch ideal
und darum echt deutsch und frohmutig
Gu Fessese Held dem herannahenden
ode die Kraft abgewann, in der schmer-
ge#nsreichen Zeit die Nation zu leiten und
zu führen. Am 15. Juni erlöste der
Tod die Seele von den Fesseln der Ver-
gänglichkeit. Wieder ging ein Wehruf
durch Alldeutschland. Niemand aber war
schwerer getroffen, als seine Gemahlin
die Kaiserin Friedrich, die alle Hoff-
nungen, Pläne und Entwürfe für das
Heil der Völker, vorzüglich auch die für
energische Hebung der Kunst und des
Kunstgewerbes mit warmem Verständnis Vitltoria, Deutsche Kaiserin und Königin
hatte teilen dürfen. von Preußen.
Kaiser Wilhelm II. bestieg den Nach einem Lichtbilde.
preußischen Königsthron und den kaiser-
lichen Stuhl des Reiches, geleitet von der Treue der deutschen Fürsten und der
Liebe des Volkes, mit dem festen Willen, das Erbe seiner Väter zu erhalten,
gewillt vor allem, dem Vermächtnis seines Großvaters die umfassendste Vollendung
zu geben. Mit weitestem stets neuem Eutgegenkommen gegen die Mächte den
äußeren Fricden der Welt aufrecht erhaltend, hat er sein volles Augenmerk darauf
gerichtet, man darf wohl sagen sein Herz daran gehängt, den inneren Frieden, die
Einheit zwischen Staat und Volk, welche die Sozialdemokratie mit ruchloser Hand
zu stören sucht, voll wieder herzustellen. Die Zeiten der Kämpfe um politische
Rechte sind zunächst wohl dahin, es gilt, den wahrhaft Armen und Besitzlosen die
Sicherheit des Lebens zu geben, und somit dem frechen demagogischen Hetzen