Preußen und der norddeutsche Vund. 127
28. Nov. (Nordd. Bund). Reichstag: Dritte Lesung der Creditvor-
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lage. Die Socialdemokraten erregen neuen Scandal. Die Vorlage
wird schließlich mit 178 gegen 8 Stimmen (die Socialdemokraten,
Schraps und Ewald) angenommen.
„ — 3. Dec. (Der Krieg). Großer Ausfall aus Paris unter
den Generalen Trochu und Ducrot. Es gelingt ihnen nicht, die
Cernirungsarmee zu durchbrechen, und schließlich werden sie auch ge-
nöthigt, die im ersten Anprall eroberten Positionen wieder zu räu-
men und sich unter dem Schutz des Festungsgürtels zurückzuziehen.
„ (Nordd. Bund). Vundesrath: Das Bundespräsidium macht
demselben eine Vorlage bez. der schwebenden Pontusfrage:
„Seitens des Präsidiums des norddeutschen Bundes ist eine Antwort auf
die kais. russische Mittheilung noch nicht ergangen. In einer so wichtigen An-
gelegenheit hat dasselbe sich nicht amtlich aussprechen wollen, ohne die An-
sicht seiner hohen Bundesgenossen zu kennen und die Stimme der
Nation zu hören. Es hat sich daher einstweilen darauf beschränkt, die Vertreter
des nordd. Bundes bei den betheiligten Negierungen anzuweisen, daß sie nach
Möglichkeit auf Erhaltung des Friedens unter den näher betheiligten Mächten
hinwirken, und erklärt, daß das Bundespräsidium keine amtliche Erklärung ab-
geben werde, ohne zuvor die Stimme des Bundesraths und des Reichstags
gehört zu haben. Das auswärtige Amt des Bundes geht von dem Grund-
satze aus, daß politische Schritte, welche die friedlichen Beziehungen Deutsch-
lands zu seinen Nachbarn gefährden können, stets nur insoweit gerechtfertigt
sein werden, als vertragsmäßige Verpflichtungen sie als eine völkerrechtliche
Pflicht auferlegen, oder als unabweisbare Interessen der deutschen Nation sie
fordern. Die ersteren liegen nach seiner Ueberzeugung nicht vor. Preußens
Stellung zu der gegenwärtig angeregten Frage war von Haus aus eine an-
dere, als die der Mächte, welche den Vertrag vom 15. April 1856 abgeschlossen
haben.... Besondere Garantien oder Pflichten ergeben sich für Preußen aus
dem Vertrage vom 30. März 1856 nicht, sondern nur das Recht, die Erfül-
lung von Pflichten, welche von Andern in dem Vertrage übernommen worden
sind, zu fordern. Ob aber dieses Recht ausgeübt werden soll, darüber sind
nur die Interessen der Nation zu Rathe zu ziehen. Die Form, welche das
Cabinet zu Petersburg gewählt hat und welche, nach seiner eigenen Erklärung,
eine weitere Verständigung durch gemeinsame Berathung nicht ausschließt, nach
ihrer Rechtsbeständigkeit zu prüfen, würde erst dann in den Aufgaben des
auswärtigen Amtes liegen, wenn feststände, daß durch Formverletzungen die
Interessen oder das Ansehen Deutschlands in Frage gestellt wären. Das Prä-
sidium hofft, daß seine Auffassung von der rechtlichen Stellung des norddeut-
schen Bundes zu der vorliegenden Angelegenheit von dem Bundesrathe getheilt
wird, und wünscht die Ansicht seiner Bundesgenossen über die Frage,
wie weit die Interessen Deutschlands durch die Verhältnisse, auf welche die vor-
gelegten Actenstücke sich beziehen, berührt werden, kennen zu lernen, um sich
demnächst in gemeinsamer Berathung über die Behandlung der Frage zu ver-
ständigen und dem Reichstage die Sachlage mitzutheilen. Inzwischen
hat das Präsidium den Zeitpunkt für günstig erachtet, um einen Vermittlungs-
vorschlag u. s. w.“
So viel bekannt geworden, ist das die erste förmliche Vorlage über eine
Frage der auswärtigen Politik, welche dem Bundesrath seit dem Bestehen des
norddeutschen Bundes gemacht worden ist, was jedenfalls nicht zufällig ist.
(Nordd. Bund). Der Reichstag geht über eine Petition für
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