Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1835. (26)

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aber nur den aͤchten, zukommende Eigenschaft, vor den Menschenblattern zu schuͤtzen, gekannt, doch 
erhielt diese Kenntniß sich bloß in einer unter den Landleuten herrschenden Sage, ja, obgleich sogar 
schon im Jahre 1791. durch einen Schullehrer im Hollstelnschen die absichtliche Impfung dreier Kin- 
der mit solchen Kuhpocken mit glücklichem Erfolge vollzogen wurde, so schenkte man doch dieser 
Sache keine weitere besondere Aufmerksamkeit. Dem Englischen Arzte Dr. Eduard Jenner blieb es 
vorbehalten, die große Entdeckung näher festzustellen und zu verbreiten, und dadurch einer der größten 
Wohlthäter der Menschheit zu werden. Jenner setzte erst Jahre lang für sich seine Versuche fort: 
er impfte Leuten, welche durch das Melken von Kühen der vorgedachten Art Kuhpocken bekommen 
batten, die Menschenblattern ein, aber keiner bekam sie; dann stellte er diesen Versuch bei Menschen 
an, die vor vielen Jahren die Kuhpocken gehabt hatten und sah den nämlichen Erfolg; endlich impfte 
er, zum erstenmale am 1ten Mai 1796., Kinder mit Kuhpocken, was den Namen Vacciniren erhielt, 
und als die Kinder diese überstanden hatten, wurden sie mit Menschenblatcern geimpft, aber keines 
bekam sie, jsa noch mehr, diese vakzinirten Kinder wurden mit anderen, welche an den natürlichen 
Blattern krank waren, in dem naͤmlichen Zimmer gelassen, schliefen im naͤmlichen Bette, und doch 
bewährte sich die Erfahrung: wer die Kuhpocken überstanden hatte, bekam die Menschenblattern nicht. — 
Nunmehr machte Jenner im Jahre 1798. seine Entdeckung zum Wohle seiner Mitmenschen bekannt; 
in zwei bald darauf erschienenen Schriften aber erwähnee er schon: daß es auch bei den Menschen 
wahre und falsche Kuhpocken (Vaccine-Pusteln) gebe, und daß die wohlthätige, vor Menschenblattern 
schützende Eigenschaft nur den ersteren zukomme. , 
DieckchtcnKuhpockendekMeuschencharakterisirensichbutchfolgcnbeMekkmale-Ekst 
gegen den Zten oder Aten Tag erscheint an der geimpften Stelle ein rothes Fleckchen, welches sich an 
den folgenden Tagen zu einer Pustel mit etwas erhabenen Rändern, einem Grübchen in der Mitte 
und einem kleinen rothen Umkreise ausbildet, wobei nur zuweilen ganz leichte Fieberbewegungen, etwas 
Unruhe 2c. bemerkbar werden. Die Pustel selbst ist fest, derd, wachsartig hart anzufühlen) mit einer 
durchsichtigen, wasserhellen Flüssigkeit (der Kuhpockenlymphe) gefüllt, und am 8ten Tage it einiger 
Entzündung im Umfange vollständig ausgebildet. Am gten Tage verliert die darin enthaltene Flüssig- 
keit schon ihre helle Farbe, wirb eick, undurchsichtig, trüb-weiß, oder gelblicht, und die Pustel in der 
Mitte etwas erhaben. Der die Pustel umgebende rothe Hof aber wird jetzt weit ausgebreitet und 
nimmt bis zum folgenden Tage zu, wobei sich zugleich einige Erscheinungen des Eiterungofiebers, 
vermehrte Wärme, unruhiger Schlaf u. s. w. zeigen. Von jetzt an nimmt der Hof wieder ab, wird 
bleich und verschwindet während der Abtrocknung, welche am 12cen Tage anfängt, allmählig ganz- 
Es bildet sich jetzt ein dunkelbrauner oder schwarzer, fester, ziemlich kicker, festaufliegender Schorf, 
welcher nach etwa 8 Tagen von selbst abfällt und eine Pockennarbe zurückläßt, während seine frühere 
Abnahme Schmerz und andere nachtheilige Folgen zu veranlassen pflegt. 
Die unächten Kuhpocken, welche gegen Menschenblattern nicht schützen, erlangen nicht die 
ebenbeschriebene gehbrige Form; ihr Verlauf ist überhaupk abweichend, die Pusteln entwickeln sich schon 
am 2ten Tage der Impfung, oder noch früher, gehen bald oder gar nicht in Eiterung über, werden 
halbkugelförmig, ohne Vertiefung in der Mitte, oder gar kegelförmig zugespitzt, und bilden bei der 
Abtrocknung schon am ten oder 7ten Tage einen lockeren gelblichen Schorf. 
Eine so höchst wichtige und so viel Segen versprechende Enedeckung, wie die von Jenner, er- 
regte natürlicherweise das grôßte Aufsehen; viele Aerzte und Wundärzte wiederholten jene Versuche, 
und da diese überall den nadmlichen glücklichen Erfolg hatten, so erfreute sich die Enteeckung schuell 
einer großen Menge von Anhängern. Daß es auch an Widersachern nicht gefehlt habe, ist sehr be- 
greiflich, denn welche Wahrheit fände ohne Kampf wohl gleich überall Anerkennung? Trotz dem wur- 
den in London allein, schon im Jahre 1800. bereits 15,000 Menschen vakzinirt, die übrigen #änder 
Europas folgten sehr bald diesem Beispiel (selbst in der Türkei hat dasselbe, wenn gloeich in beschrank. 
terem Maaße, Eingang gefunden), auch in Amerika eilte man, sich Luhpockenstoff zu verschaffen, und 
viele Tausende wurden der Wohlthat der Impfung mit dem nämlichen glücklichen Erfolge theilhaft. 
Da dieser Stoff nun jekoch in der Regel nicht mehr von den Kühen genommen, sondern 
don Menschen, auf Menschen übertragen wurde, so entstand für die solchergestalt geimpften Kuhpocken 
die zweckmäßige Benennung Schutzpocken, weil sie Schutz vor den Menschenblattern gewähren. 
45. Außer diesem Schutze vor den Menschenblattern, den dergleichen durch die Impfung 
mit ächter und unverdorbener Kuhpockenlymphe erzielte und gehörig verlaufende Schutzblattern ge- 
währen, sind nun noch folgende wesentliche Vorzüge derselben zu rühmen, Vorzüge, welche sie 
namentlich vor der, trotz ihrer Gefährlichkeit als Schutzmittel sonst so verbreiteten Inokulation der 
Menscheppocken voraus haben: · 
1835. b 1. Die
	        
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