Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1835. (26)

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das Blut sogleich zu stillen, also auch keine Binden oder Lappen auflegen, die Wunde nicht zubruͤcken 
und dergleichen. Man lasse sie vielmehr eine Zeitlang ungestört bluten, und wenn laues Wagssene u 
haben ist, so wasche man sie damit oder bade darin den verletzten Theil, um die Blutung zu befoͤr- 
dern. Auch mache man, wenn die Wunde an einer Stelle schon trocken geworden seyn sollte, daselbst 
kleine Einschnitte mit einer scharfen Messerspitze, damit das Blut wieder zu fließen beginne. — Wirb 
ein Mensch auf dem Felde, im Walde oder sonst an einem einsamen Orte gebissen, so wasche er so- 
gleich die Wunde mit seinem Urin gehörig aus, und lasse sie dann ebenfalls recht lange nachbluten, 
was er kurch Drücken und Streichen der Haut gegen die Wunke hin befördern kann. — Sodann 
muß der Gebissene, jedoch nicht zu schnell, weil jede Erhitzung ihm schaden kann, nach dem nächsten 
Hause gehen oder dahin gebracht werden. 
Hiernächst wasche man jede einzelne Wunde, auch selbst den kleinsten Ritz in der Hauc mie 
Aschenlauge, oder mie warmem Masser, worin schwarze Seife oder auch eine Handvoll Salz aufgelöst 
ist, dergestalt rein auc, daß man die Flüssigkeit mehrinals nach einander in die Wunde gießt, oder reich- 
lich hineinspritzt, oder baß man einen in die Flussigkeit getauchten Schwamm ober Leinwandlappen über den 
Wunden mehrmals ausdrückt. Hat man unter den genannten Mitteln die Wahl, so verdient die Acchen- 
lauge den Vorzug. (Man nimm hierzu einen Theelöffel voll Seifensiederlauge, die von der Stärke seyn muß, 
daß ein Ei darauf schwimmt, und mischt diese unter eine Tasse (etwa 6 Loch) Wasser. Sollte aber 
Seifensiederlauge nicht sogleich zu erhalten seyn, so kann man auch eine schwache Lauge in der Art 
bereiten, daß man über 8 Eßlöffel Asche von hartem Holze (von der Asche von weichem Holze nimmt 
man etwas mehr) 2 Tassen kochenden Wassers gießt und die bauge mittelst Durchseihens durch Lein- 
wand von der Asche absondert). 
Ist nun inzwischen der Arzt noch immer nicht bei dem Verletzten angelangt, und eine Apo- 
theke in der Nähe, so besorge man ein Quentchen bis zu einem both (je nachdem die Zahl und Größe 
der Wunden ist) Spanischfliegenpulver) bestreue damit recht reichlich alle vorhandenen Wunden und 
verbinde sie dann mit einer Binde von Leinwand; oder: man verbinde sie mit der in den Apotheken 
vorräthigen Spanischfliegensalbe, zu welcher man noch, um sie stärker reizend zu machen, etwas soge- 
nannten rothen Quecksilber-Prazipitat (von diesem etwa 1 Quentchen auf 1 Loth der Salbe) mengen 
kann; oder man bestreiche die Wunden bis auf ihren Grund recht reichlich mit einer Auflösung, die 
aun 1 Quenechen Aectzkali (Aebstein) und ein halb Pfund (b. i. gegen anderthalb Tassenköpfe voll) 
Wasser bereitet ist. — Ist aber kems der genannten Mittel leitig genug zu haben, so bedecke man 
vor der Hand die Wunde mit schwarzer Seife oder bestreue sie mit Asche ober gepulvertem ungelösch- 
ten Kalk oder wenigstens mit Kuchensalz, und verbinde sie dann. — Der maßige Schmerz, den diese 
Mittel in der Wunde erregen, ist von keinen nachtheiligen Folgen, ihre Anwendung aber unerlaßlich, 
einerseits: um das in der Wunde haftende Gift zu zerstören, und andererseits: um in derselben eine 
Entzundung und Eirerung zu bewirken, wodurch der Verletzte allein vor dem Ausbruche der Wasser- 
scheu sicher bewahrt werden kann. 
Alle Lappen, Linnen, Binden, Schwämme unk dergleichen, die nur irgend mit der Wunde in 
Berührung gekommen sind, müssen übrigens gleich nach dem Gebrauche verbrannt werden, weil das 
Gift sonfst mittelst dieser Träger noch Andere anstecken kann. 
Wenn dies Alles geschehen ist, so kann sich der Kranke vorläufig durchaus beruhigen; ja, es 
ist zu wünschen, daß dies der Fall sey, denn Gemuthsruhe, Hoffnung und Vertrauen tragen hier mehr, 
als bei jeder anderen Krankheit, zur Genesung bei, so wie gegentbeils heftige Gemüthosbewegungen, 
namentlich Furcht und Augst sehr schedlich sind. Man vermeide eben deshalb von Anfang an so viel 
als möglich Alles, was den erleten beängstigen oder sonst in Gemüthöbewegung versetzen könnte; 
man führe die erforderlichen . aaßregeln bei ihm mit Ruhe und Freundlichkeit aus, lasse nicht zu 
viele Menschen zu ihm, erzähle ihm nicht Unglücksgeschichten von tollen Hunden, spreche ihm vielmehr 
Muth zu, und suche ihn zu erheitern und über sein Schicksal unbesorgt zu erhalten. — Dabei sey die 
Stube, in der er sich aufhält, nicht zu warm, und auch in der Diät werde alles erhitzende, wie 
Brandtwein, Wein, starker Kaffee, vermieden. 
Ist enelich ein Arzt oder Wendarzt zu dem Verletzten gekommen, so unterwerfe sich dieser 
dit Entschlossenheit und geduldiger Ausdauer allen und jeden Verordnungen desselben, setze sich na- 
entlich auch einer 3 Monate langen Unterhaltung der Eiterung der Wunde, die der Arze durch ge- 
eignete mildere Mittel bewirken wird, nicht als einer, seiner Meinung nach vielleicht zu lästigen oder 
gar
	        
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