$ 61. Recht der Staatsaufsicht. 723
abzuschließen oder Bevollmächtigte für ihn zu bestellen, deren er
bedarf zur notwendig gewordenen Prozeßführung ®*.
Die wichtigsten Fälle eines derartigen Eingreifens bedeuten
Maßregeln gegen die Beamten und Vertreter persönlich oder
‘verknüpfen sich mit der Aufstellung des Haushaltsplanes:
— Die Beamten wie die Vertreter kraft Mitglied-
schaftsrecht stehen unmittelbar nur zu ihrem Verwaltungs-
körper in einem Rechtsverhältnis®®. Bei dem übertragenen Wirkungs-
kreise sind sie zugleich dem Staate zur Verfügung gestellt, der
die Rechte einer vorgesetzten Behörde ihnen gegenüber ausüben
läßt. Das liegt an der besonderen Rechtsgestaltung dieser Tätig-
keitszweige und gehört nicht hierher®®. Dagegen macht der Staat
auch außerhalb dieses begrenzten Gebietes, also im eigenen Wirkungs-
% So für Gemeinden: Preuß. Kom.Abg.Ges. v. 14. Juli 1898 $ 78 Abs. 5
(Neuordnung des gemeindlichen Abgabenwesens); Bayr. Gem.Ord. Art. 37 Abs. 3
(Bestellung eines Rechtsanwalts), Seydel, Bayr. St.R. II S.33. Els.-Lothr. Gem.-
Ord. v. 6. Juni 1895 $ 72: „Verweigert der Bürgermeister die Vornahme einer
ihm gesetzlich obliegenden Amtshandlung, oder unterläßt derselbe diese Vornahme
ungeachtet der an ihn seitens der Aufsichtsbehörde ergangenen Aufforderung,
so kann die Aufsichtsbehörde die Amtshandlung selbst vornehmen oder durch
einen Beauftragten vornehmen lassen®. Die Bestimmung entstammt dem Franz.
Ges. v. 18. Juli 1837 Art. 15. s
Für öffentliche Genossenschaften: Rosin, Off. Gen. S. 115f.;
Stier-Somlo, Soz. Gesetzgebung S. 256 ff. („Ubernahme von Organfunktionen“);
Fuld, in Arch. f. öff. R. XIX S. 190 ff. (Verträge, welche die Aufsichtsbehörde
für die Krankenkasse mit Ärzten abschließt; Fuld spricht hier von einer „De-
volution der Befugnisse“). Gew.Ord. $ 96 Abs. 3 (Bestellung eines Prozeßvertreters
für die Innung).
Gierke, Gen.Theorie S. 664, faßt diese Erscheinungen zusammen in der
physiologischen Formel: „Der höhere Organismus vikariiert hier für den ihm ein-
gegliederten niederen Organismus, und läßt sein eigenes Leben in denselben ein-
strömen, um einer Stockung oder einer Verderbnis des engeren Gemeinlebens ab-
zuhelfen“. —
Wie oben hervorgehoben wurde, dient diese aufsichtsrechtliche Maßregel
geradezu als Zwangsmittel gegen den Verwaltungskörper. Damit hängt zusammen,
daß sie im Preußischen Rechte regelmäßig ersetzt wird durch die allgemeinen
Zwangsbefugnisse der Behörden zur Durchsetzung ihrer „Anordnungen“ gemäß
L.V.G. $ 132 (Zwangsersatzvornahme, Zwangsstrafe, Gewaltanwendung; vgl. oben
Bd. 1S. 283). Oertel, Städte-Ord. S. 623: „Um den ordnungsmäßigen Gang
der Gemeindeverwaltung zu erzwingen, gesetzwidrige Anordnungen der Gemeinde-
organe rückgängig zu machen und Säumnisse und Nachlässigkeiten im Gange der
Verwaltung zu beseitigen, stehen der Aufsichtsbehörde die Zwangsmittel des $ 132
L.V.G.... zu Gebote“. v. Brauchitsch, Verw.Gesetze I S. 224. — Vgl. aber
auch hier unten Note 41.
35 Vgl. oben $ 59 S. 663 ff.
36 Vgl. hier oben In. 2.
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