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die königliche Familie abends oder mittags. In Pillnitz wurden
nach der Tafel fast immer Ausflüge in die schöne Umgegend ge—
macht, öfters auch mit dem Dampfschiffe eine weitere Partie.
Die Kronprinzessin war eine ausgezeichnete Schwiegertochter. In
Dresden war sie täglich des Morgens, gewöhnlich von 12 bis
1 Uhr, meist mit einer Handarbeit beschäftigt, bei Königin Amalie.
Viele Abende der Woche waren die kronprinzlichen Herrschaften
bei ihren Eltern.
Oft war hoher fremder Besuch am sächsischen Hofe, teils
um verwandtschaftliche Beziehungen zu pflegen, teils um dem
überall verehrten König näher zu treten. Beim Kronprinzen
kehrte alljährlich, zuweilen auch mehrmals, Prinz Wasa als Gast
ein und fand im Hause seiner Tochter die freundlichste und
rücksichtsvollste Aufnahme. Der Prinz interessierte sich für Politik
und militärische Dinge. Er las viel Zeitungen und erzählte
gern, namentlich von seinen zahlreichen Reisen und von fürst-
lichen Persönlichkeiten, welche er kannte. Prinz Wasa war sehr
leutselig, redete gern die Leute auf der Straße an und fragte
sie nach ihren persönlichen Verhältnissen und Angelegenheiten.
Das Leben im kronprinzlichen Hause wurde auch für die Um-
gebung durch die Ungezwungenheit und den wahrhaft freund-
schaftlichen Ton im Verkehr ein genußreiches. Die Hauptmahlzeit
fand im Winter um 4 oder 5 Uhr, im Sommer um 3 Uhr
statt. Den Vormittag verbrachten die Herrschaften allein, auch
meist die Abende, wenn nicht häufig Theaterbesuch und Gesellig-
keit die Tagesordnung änderten. Im Anfang der sechziger Jahre
hatten die Herrschaften viel Verkehr mit dem Erbprinzen Max
und der Erbprinzeß Helene von Thurn und Taxis, welche das