388 XXIII.
eignete, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen, deren vorübergehender
Zweck durch jede Verzögerung vereitelt würde.
867.
(Gesetz vom 20. Februar 1868.)
Die Kammern haben das Recht der Vorstellung und Beschwerde; Verordnungen, worinnen
Bestimmungen eingeflossen, wodurch sie ihr Zustimmungsrecht für gekränkt erachten, sollen auf
ihre erhobene gegründete Beschwerde sogleich außer Wirksamkeit gesetzt werden. Sie können
den Großherzog unter Angabe der Gründe um den Vorschlag eines Gesetzes bitten. Sie
haben das Recht, Mißbräuche in der Verwaltung, die zu ihrer Kenntnis gelangen, der Re-
gierung anzuzeigen.
Beschwerden einzelner Staatsbürger über Kränkung in ihren verfassungsmäßigen Gerecht-
samen können von den Kammern nicht anders als schriftlich und nur dann angenommen
werden, wenn der Beschwerdeführer nachweist, daß er sich vergebens an die geeigneten Landes-
stellen und zuletzt an das Staats-Ministerium um Abhilfe gewendet hat.
Zu Beschwerden, welche die Beschuldigung einer Verletzung der Verfassung oder ver-
fassungsmäßiger Rechte enthalten, ist die zweite Kammer allein befugt. Jedoch steht der ersten
Kammer dasselbe Recht der Beschwerde an den Großherzog wegen Verletzung ihrer verfassungs-
mäßigen Rechte zu. Die Beschlüsse über derartige Beschwerden erfordern die in § 67 8 vor-
geschriebene Stimmenmehrheit.
Zu anderen Vorstellungen an den Großherzog sind beide Kammern, sei es in Gemein-
schaft, sei es jede für sich allein, berechtigt.
Eine Bitte um Vorlage eines Gesetzes darf nur dann von einer Kammer an den Groß-
herzog gebracht werden, wenn dieselbe zuvor der andern Kammer mitgeteilt und dieser Ge-
legenheit gegeben worden ist, sich darüber auszusprechen.
IVa. Von den Anklagen gegen die Minister.
8 67a.
(Gesetze vom 20. Februar 1868 und vom 24. August 1904)
Die zweite Kammer hat das Recht, die Minister und Mitglieder der obersten Staats-
behörde wegen einer durch Handlungen oder Unterlassungen wissentlich oder aus grober Fahr-
lässigkeit begangenen Verletzung der Verfassung oder anerkannt verfassungsmäßiger Rechte,
oder schweren Gefährdung der Sicherheit oder Wohlfahrt des Staates förmlich anzuklagen.
Ein solcher Beschluß erfordert die in den §§ 64 und 73 für Verfassungsänderungen
vorgeschriebene Stimmenzahl; die Zurücknahme desselben kann mit einfacher Stimmenmehrheit
geschehen.
Das Anklagerecht der zweiten Kammer wird durch die Entfernung des Angeklagten vom
Dienste, mag sie vor oder nach erhobener Anklage erfolgen, nicht aufgehoben.
Im Falle der Verurteilung ist die Entlassung des Angeklagten aus dem Staatsdienste
zu erkennen.