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Beilage 1 zum Gesetz= und Verordnungsblatte für das Königreich Bayern vom Jahre 1906.7)
Erkenntnis des Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte in dem Streite über die Zuständigkeit für
die Entscheidung über den von dem Mehlhändler Andreas Distler in Feuchtwangen gegen den
Bauer Friedrich Ströhlein und den Altsitzer Andreas Emmert in Winterhalten erhobenen
Anspruch auf Ersatz des durch unbefugte Ausübung der Viehweide verursachten Schadens betreffend.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte in dem Streite über die Zuständigkeit für die
Entscheidung über den von dem Mehlhändler Andreas Distler in Feuchtwangen gegen den
Bauer Friedrich Ströhlein und den Altsitzer Andreas Emmert in Winterhalten erhobenen
Anspruch auf Ersatz des durch unbefugte Ausübung der Viehweide verursachten Schadens,
daß die Gerichte zuständig sind.
Gründe:
An dem der Gemeinde Feuchtwangen gehörenden Grundstücke Pl. Nr. 1348 der
gleichnamigen Steuergemeinde, das einen Flächeninhalt von 2,859 ha hat, steht den Eigen-
tümern der zwei Höfe, aus denen der Weiler Winterhalten besteht, das Recht zu, es
während der sogenannten offenen Zeit mit ihrem Hornvieh zu beweiden. Der Mehlhändler
Andreas Distler in Feuchtwangen hat seit 1865 einen Teil des Grundstückes gepachtet;
hievon hat er einen ungefähr 0,032 ha umfassenden Teil als Wiese angelegt. Durch sorg-
fältige Behandlung hat er sie so kultiviert, daß er davon eine Heuernte und zwei Grummet-
ernten zu beziehen pflegt. Am 26. September 1901, als auf der Wiese noch das zweite,
etwa 20 cm hohe Grummet stand, ließen die Eigentümer der beiden Höfe, Friedrich Ströhlein
und Andreas Emmert, die Wiese durch ihr Hornvieh abweiden. Andreas Distler ließ
deshalb durch den Rechtsanwalt Bayer in Ansbach gegen sie bei dem Amtsgerichte Feucht-
wangen Klage auf Leistung eines Schadensersatzes von 15 K# erheben; später minderte
er seinen Anspruch auf den Betrag von 6 —. Der Anspruch ist auf die Behauptung
gegründet, daß die Beklagten die Weide damals widerrechtlich ausgeübt haben. Das Amts-
gericht verurteilte am 18. Dezember 1902 die beiden Beklagten nach Maßgabe des Klag-
antrags. Ihre Einwände, daß Distler ihnen von der Absicht, das zweite Grummet noch
zu ernten, hätte Kenntnis geben sollen, daß übrigens am 26. September die Hegezeit der
Wiese als beendigt anzusehen gewesen sei, wies das Gericht zurück; die Zeit um den
26. September sei, wie allgemein bekannt sei, regelmäßig die Zeit der Ernte des Nach-
grummets, und nicht der Wiesenbesitzer habe den Weideberechtigten mitzuteilen, daß auf der
*) Ausgegeben zu München, den 11. August 1906.
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