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Betrages an den Nachlaß des Willibald Wildenauer anzuhalten, erhob der Nachlaßpfleger
mit Schriftsatz vom 19. Mai 1908 gegen die Gemeinde Garmisch Klage beim Landgerichte
München II mit dem Antrage zu erkennen, daß die beklagte Partei schuldig sei, 1414, 29 M
Hauptsache nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 1. Dezember 1907 in den Nachlaß des
verstorbenen Willibald Wildenauer zu Handen des Nachlaßpflegers zurückzuzahlen und
die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Zur Begründung der Klage wurde behauptet: Das von Willibald Wildenauer
zufolge Ablebens seiner Mutter ererbte Vermögen sei bei seinem Tod auf seine Frau und
seine Kinder übergegangen. Die Gemeinde Garmisch habe als Armenpflege für den ver-
storbenen Wildenauer, insbesondere für ein Kind desselben, Aufwendungen im Betrage
von 1414,29 — gemacht und im Wege eines amtsgerichtlichen Arrestbefehles für diesen
Bet- ag den Rücklaß des Willibald Wildenauer pfänden lassen. Auf Grund dieses Arrest-
befe hls habe das Notariat Garmisch im November 1906 den oben erwähnten Betrag an
den Armenpflegschaftsrat Garmisch bezahlt. Dies sei schon um deswillen ungesetzlich, weil
kein. Vollstreckungstitel zur Einziehung vorgelegen habe. Die Gemeinde Garmisch sei aber
auck) um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert, da ihr ein Ersatzanspruch gemäß Artikel 8
everntuell 5 Abs. I und II des bayerischen Armengesetzes nicht zustehe. Die Witwe und die
Kimder des Wildenauer seien als arme Pflichtteilsberechtigte zu erachten. Auch im Hin-
blick auf Artikel 5 des Armengesetzes sei der Herausgabeanspruch begründet; denn die Gemeinde
kön ne die Ersatzforderung nicht geltend machen, da der Lebensunterhalt der hinterbliebenen
Fanilie nicht sicher gestellt und Willibald Wildenauer schon Ende 1905 infolge Erkrankung
arbeitsunfähig gewesen sei.
Der Prozeßbevollmächtigte der Gemeinde Garmisch beantragte die Abweisung der Klage
und brachte die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts bezw. der Unzulässigkeit des
Rechtsweges vor. Der Anspruch der Gemeinde gegen Wildenauer stütze sich nur auf
Artikel 5 Abs. I des Armengesetzes; denn Wildenauer selbst sei als Empfänger der seiner
Frau und seinen Kindern gewährten Armenhilfe zu betrachten. Zur Prüfung dieses Ersatz-
anspruchs seien nur die Verwaltungsbehörden zuständig. Dabei sei nicht ausschlaggebend,
daß es sich jetzt um einen Rückforderungsanspruch oder um einen Anspruch aus ungerecht-
fertigter Bereicherung handle.
Da inzwischen die Nachlaßverwaltung aufgehoben worden war, nahmen die Witwe und
die Kinder des Willibald Wildenauer, soweit ihr Erbrecht festgestellt worden war, den Prozeß
an Stelle der Nachlaßverwaltung auf und genehmigten die bisherige Prozeßführung des
Nachlaßverwalters. Der Vertreter der Erben bestritt gegenüber der Klagebeantwortung, daß
es sich um einen Verwaltungsrechtsstreit handle und daß der Gemeinde der von ihr behauptete
Ersatzanspruch zur Seite stehe. Der Anspruch auf Zurückgabe sei unter allen amsständen
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