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ist in die Kommentare übergegangen; insbesondere spricht Fuld, die Gesetzgebung des Deutschen
Reiches Teil II Bd. III, bei dem § 86 des Alters= und Invaliditätsversicherungsgesetzes
vom 22. Juni 1889 davon, daß die Zulässigkeit des Rechtswegs gegen die Versicherungs-
anstalt in der Kommission widerspruchslos hervorgehoben wurde. In der Tat handelt es
sich aber nur um eine vorsichtig gefaßte Außerung eines Kommissionsmitglieds, die gelegent-
lich der weiteren Beratung nicht mehr berührt, weder bestätigt noch zurückgewiesen wurde.
Es kann daher nicht angenommen werden, daß die sämtlichen Gesetzgebungsfaktoren über die
Zulässigkeit des Rechtswegs einverstanden waren. Die Prüfung der rechtlichen Natur des
in Frage stehenden Anspruchs führt zur Ausschließung des Rechtswegs, die insbesondere
Rosin (Das Recht der Arbeiterversicherung Bd. I § 98 Note 30) und Piloty (Die
Arbeiterversicherungsgesetze des deutschen Reiches 1. Aufl. 1893 zu § 91 des Alters= und
Invaliditäts-Versicherungsgesetzes, 2. Aufl. 1900 zu § 123 des Irnwvalidenversicherungs-
gesetzes) annehmen.
Das Gesetz soll nach der dem Entwurfe beigegebenen Begründung (Verhandlungen
des Reichstags a. a. O. Drucksache Nr. 10 S. 49, 50, 58) einem erheblichen sozialpoli-
tischen Bedürfnisse dienen; sein Zweck ist ausschließlich sozialpolitischer Natur; es beruht auf
dem allgemeinen Interesse des Reiches an einer möglichst normalen Gestaltung der sozialen
Verhältnisse; durch die vorgeschlagene Alters= und Invaliditätsversicherung soll eine erhebliche
Erleichterung einer anderen öffentlichen Last, der öffentlichen Armenpflege, eintreten.
Die Invalidenversicherung ist also eine im Interesse des Gemeinwohls angeordnete öffent-
lich-rechtliche Einrichtung (Urteil des Reichsgerichts vom 3. Oktober 1904, Entscheidungen
in Zivilsachen Bd. 59 S. 199) und beruht, wie die Arbeiterversicherungsgesetzgebung
überhaupt auf öffentlichem Rechte (Urteil des Reichsgerichts vom 4. Februar 1910 Ent-
scheidungen in Zivilsachen Bd. 72 S. 410). Hieraus ist zu folgern, daß das Gesetz
— mindestens in Ansehung der versicherungspflichtigen Personen, zu denen die Klägerin
gehört — öffentlich-rechtliche Verhältnisse schaffen will. Dies kommt zum Ausdrucke
durch die Einrichtungen des Versicherungszwanges, des Reichszuschusses, der Beitragspflicht
der Arbeitgeber, durch die Schaffung öffentlicher Versicherungsanstalten zur Durchführung
der Zwecke des Gesetzes, durch die überall vorgesehene Mitwirkung der Verwaltungsbehörden
(S. hiezu das Urteil des Reichsgerichts vom 3. Mai 1904, Entscheidungen in Zivilsachen
Bd. 58 S. 102, dessen hieher gehörende Ausführungen durch das Urteil vom 12. März 1906,
Entscheidungen in Zivilsachen Bd. 63 S. 53 nicht beeinträchtigt werden). Insbesondere
kommt, was die Versicherten betrifft, in Betracht, daß es in der Regel nicht darauf ankommt,
ob sie versichert sein wollen oder nicht und daß, wenn auch die Leistung von Beiträgen
zur Erlangung eines Anspruchs auf Invaliden= oder Altersrente erforderlich ist (§ 15 des
Gesetzes vom Jahre 1889, § 28 des Gesetzes vom Jahre 1899), doch nicht ein Gegen-