$:6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 143
Im Gegensatz zu diesen Durchbrechungen. des
Prinzips des Art. 62 vermag sich aber die auf diesen
Artikel bzw. auf $$ 6, 7, IL 13 A.L.R. sich gründende
gesetzgebende Gewalt in zweierlei Art zu äußern: teils
als verfassungsänderndes (Art. 107), teils als gewöhn-
liches die materiellen Schranken der Verfassung
wahrendes Gesetz (Art. 62f). Der im „Staatsgrund-
gesetz“ vom 31. Januar 1850 und in einem nach Art. 107
ergehenden Verfassungsänderungsgesetz sich be-
kundende Wille ist der höchste in dem zur konstitu-
tionellen Monarchie gewordenen preußischen Einheits-
staat; er bindet nicht nur die vollziehende und die
richterliche Gewalt, sondern auch — gegebenenfalls —
die gewöhnliche Legislative (vgl. oben S. 105).
Gleich den vom König mit Zustimmung der Kammern
erlassenen Gesetzen bedürfen auch die königlichen
Rechtsverordnungen zur Verbindlichkeit der Publikation
„in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form“, d.h., an
sich nach Gesetz vom 3. April 1846, in der Gesetz-
sammlung. Die Anordnung einer anderweitigen Publika-
tionsart ist dem einseitigen Belieben des Königs nicht
mehr gestattet, da die Verfassung Art. 106, S.1 streng
konform dem bereits positiv bestehenden Rechtssatz
die Bekanntmachung verlangt und als solcher nur die
direkte Disposition des Gesetzes vom 3. April 1846 in
Betracht kommt. Allerdings hat ein Gesetz vom
10. April 1872 für bestimmt aufgeführte landesherrliche
Erlasse die verbindliche Bekanntmachung: in den Amts-
blättern vorgesehen und zugleich eine Anzeige von
jeder derartigen Bekanntmachung in der Gesetzsammlung
angeordnet. Ist in einem durch die Gesetzsammlung
verkündeten Erlasse der Zeitpunkt des Inkrafttretens
nicht bestimmt, so beginnt nach Gesetz vom 16. Februar
1874 die verbindliche Kraft in dem ganzen Umfange
der Monarchie mit dem 14. Tag nach Ablauf desjenigen
Tages, an welchem das betreffende Stück der Gesetz-