Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

(205 -) 
b) daß diese Kräfte bei ihnen gänzlich unentwickelt geblieben sind, oder 
IC) daß sie die That in einem bewußtlosen Zustande, oder während einer Seelenkrank- 
heit verübt haben, welche den Vernunftgebrauch entweder im Allgemeinen, oder in 
der besonderen Richtung, welche bei der That in Betracht kommt, gänzlich aufhebt. 
Art. 88. 
Verminderte Zurechnungsfähigkeit. 
Sind Zustände oder Voraussetzungen, welche an die im vorigen Artikel gedachten an- 
gränzen, vorhanden, ohne daß die Fähigkeit der Selbstbestimmung dadurch gänzlich ausge- 
schlossen erscheint, so ist, dafern nicht der Verbrecher sich absichtlich, um das Verbrechen zu 
begehen, in einen solchen Zustand versetzt hat, verminderte Zurechnungsfähigkeit anzuneh- 
men, und hat demzufolge der Richter höchstens auf die Hälfte der ohne diesen Milderungs- 
grund verwirkten Strafe zu erkennen. 
Art. 89. 
Bestrafung von Kindern. 
Kindern vor zurückgelegtem vierzehnten Jahre kann eine gesetzwidrige Handlung nicht 
als Verbrechen zugerechnet werden, es ist jedoch in einem solchen Falle von dem Richter 
nach Befinden eine angemessene Züchtigung derselben durch die Eltern, oder, insofern dieses 
nach den Verhältnissen nicht thunlich ist, durch andere Personen, zu verfügen, auch nach 
den Umständen nebenbei ihre Unterbringung in eine Erziehungs= und Besserungsanstalt 
einzuleiten. 
Art. 90. 
Milderungsgrund der Jugend. 
Von dem Alter an, wo eine Zurechnung stattfindet (Art. 87, 89), bis zum vollen- 
deten achtzehnten Jahre ist die Jugend als ein Milderungsgrund zu betrachten, und die 
gesetzlich verwirkte Strafe nach richterlichem Ermessen herabzusetzen. 
Insbesondere sollen solche Verbrecher nicht mit Todes= oder Zuchthausstrafe belegt 
werden, sondern es ist statt derselben auf Arbeitshaus= oder Gefängnißstrafe zu erkennen, 
welche auch nach Art. 16, 18 geschärft werden kann. Die im Art. 17 Absatz 2 getrof- 
fene Bestimmung leidet in diesem Falle nicht Anwendung, vielmehr kann gegen jugendliche 
Verbrecher auch wegen der dort bezeichneten Verbrechen auf Gefängnißstrafe von längerer 
als sechsmonatiger Dauer erkannt werden, und sind die denselben auch wegen solcher Ver- 
brechen auferlegten Gefängnißstrafen, wenn sie höher als auf vier Mongte ansteigen, im 
Landesgefängnisse zu verbüßen. 
Geht jedoch aus der Beschaffenheit der That, ihrer Beweggründe, und der übrigen 
damit verbundenen Umstände hervor, daß der Verbrecher nicht sowohl aus jugendlichem 
Leichtsinne, als vielmehr gus Bosheit und mit Ueberlegung gehandelt hat, so ist die Jugend
	        
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