Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

( 207 ) 
lung zu einem Verbrechen, oder eine schon an sich strafbare Handlung zu einem schwereren 
Verbrechen wird, schließen die Zurechnung aus, soweit sie auf die Handlung von Einfluß 
gewesen sind. Ist jedoch der Irrthum oder die Unwissenheit von der Art, daß sie von dem 
Handelnden durch die nach seiner Persönlichkeit und der Natur seiner Handlung von ihm 
zu fordernde Aufmerksamkeit hätten vermieden werden können, so hat der Richter zu er- 
messen, ob und wie weit dem Handelnden Unbedachtsamkeit oder selbst Absicht (vergl. Art. 
47, 48) beizumessen sei. 
Durch Unbekanntschaft mit dem Gesetze, welches die Handlung mit Strafe bedroht, 
wird ein begangenes Verbrechen eben so wenig, als durch den Wahn, als ob dieselbe nach 
dem Gewissen oder der Religion erlaubt oder verdienstlich sei, entschuldigt. 
Art. 96. 
Verminderte Zurechnung. 
Liegen Umstände vor, welche an die in Art. 91, 92, 93, 9 4, gedachten angränzen, 
ohne daß jedoch ein wirklicher Zustand der Nothwehr, eine wirkliche echte Noth, ein wirk- 
licher unwiderstehlicher Zwang, oder ein völlig entschuldigender Befehl anzunehmen wäre, 
so tritt die Bestimmung im Art. 88 ein. 
Art. 9 7. 
Verminderte Zurechnung beim Erceß in der Nothwehr r2c. und beim Rechtsirrthume. 
Dieselbe Bestimmung tritt ein, wenn Jemand in einem wirklichen Zustande der Noth- 
wehr, der echten Noth, oder der erlaubten Selbsthülfe zwar die gesetzlichen Grenzen über- 
schritten hat, dabei jedoch angenommen werden kann, daß er unter dem Einflusse der durch 
jene Zustände herbeigeführten Gemüthserregung gehanvelt habe, ingleichen wenn die Hand- 
lung aus einem Rechtsirrthume hervorgegangen ist, welcher sich nicht auf das Strafgesetz, 
sondern auf andere bei der Handlung in Betracht kommende Rechtsgrundsätze bezieht. 
Achtes Coapitel. 
Allgemeine Bestimmungen wegen des zur Bestrafung gewisser Verbrechen 
erforderlichen Antrags. 
Art. 98. 
Berechtigung zum Antrage. 
In Fällen, wo nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs ein Strafverfahren nur auf 
Antrag einzuleiten ist, steht das Recht zu solchem Antrage, wo nicht etwas Anderes beson- 
ders festgesetzt ist, nur Demjenigen zu, der durch das Verbrechen unmittelbar in seinem 
Rechte verletzt ist.
	        
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