Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

( 338 ) 
Art. 45. 
Zuständigkeit der Bezirksgerichte. 
Die übrigen Verbrechen gehören vor das Bezirksgericht, ohne Unterschied, ob im ein- 
zelnen Falle das Verbrechen ein vollendetes oder nur versuchtes ist. 
Besondere Bestimmungen. 
Art. 46. 
Haben bei einem Verbrechen mehrere Personen als Urheber, Anstifter oder Gehülfen 
sich betheiligt (Theilnehmer), bei denen in Folge der Verschiedenheit ihrer persönlichen 
Verhältuisse oder ihres verbrecherischen Willens verschiedene Strafgesetze zur Anwendung 
zu bringen sind, so daß nach Art. 44, 45 rücksichtlich einiger Theilnehmer der Einzel- 
richter, rücksichtlich eines oder mehrerer aber das Bezirksgericht zuständig sein würde, so ist 
das Bezirksgericht rücksichtlich aller Theilnehmer zuständig, auch wenn der nach dem schwe- 
reren Strafgesetze zu Bestrafende nicht mit in der Untersuchung begriffen ist. 
Die Beihülfe und die Begünstigung sind von dem Gerichte zu untersuchen, wo das 
Hauptverbrechen zu untersuchen sein würde, gleichviel ob ein Urheber zur Untersuchung 
gezogen worden oder nicht. 
Die Partirerei ist wie die Begünstigung zu behandeln, es wäre denn, daß keiner der 
Theilnehmer des Verbrechens, in Bezug auf welches die Partirerei verübt worden, zur 
Untersuchung gezogen wäre; solchenfalls ist die Partirerei als selbstständiges Verbrechen 
zu behandeln. (Vergl. Art. 50). 
Art. 47. 
Das Bezirksgericht kann mit Zustimmung des Staatsanwalts, vor Eröffnung der 
Voruntersuchung, ein an sich zur Zuständigkeit des Einzelrichters nicht gehöriges Verbrechen 
an denselben zur weiteren Untersuchung und Aburtheilung verweisen, wenn nach den Um- 
ständen nicht zu erwarten ist, daß der Angeschuldigte im Falle seiner Verurtheilung mit 
einer höheren Strafe als mit einer im Gerichtsgefängnisse zu verbüßenden Gefängnißstrafe 
oder einer Geldstrafe zu bestrafen sein werde. 
Der Einzelrichter ist an eine solche Verweisung, welche dem Angeschuldigten durch das 
Bezirksgericht zu eröffnen ist, gebunden, dafern nicht bei Fortstellung der Untersuchung sich 
annoch Umstände ergeben, nach welchen die Voraussetzung der Verweisung als irrig oder 
zweifelhaft erscheint. Solchenfalls hat der Einzelrichter, jedoch ohne Aussetzung der be- 
gonnenen Erörterungen, Anzeige an das Bezirksgericht zu erstatten. 
Die Verweisung an den Einzelrichter ist jedoch unzulässig, wenn bei dem Verbrechen 
noch andere Personen betheiligt und in der Untersuchung begriffen sind, in Betreff deren
	        
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