Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

( 373 ) 
Art. 156. 
Entlassung aus der Haft. 
Die Entlassung eines Angeschuldigten, er sei verhaftet gewesen oder nicht, kann unbe- 
schränkt oder gegen die besondere Verpflichtung, daß er auf jedesmaliges Erfordern des 
Gerichts sofort bei demselben sich gestelle, von dem Untersuchungsrichter verfügt werden. 
Diese Verpflichtung kann mittels Leistung eines Handgelöbnisses oder mittels Bestell- 
ung einer Sicherheit oder mittels beider zugleich geschehen. 
Art. 157. 
Entlassung gegen Handgelöbniß. 
Bei der Entlassung auf Handgelöbniß ist der Angeschuldigte zu bedeuten, daß er 
während der Untersuchung ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters oder einer von 
dem letzteren bestimmten Ortsgerichtsperson von dem ihm angewiesenen Aufenthaltsorte 
oder aus dem ihm angewiesenen Bezirke sich nicht entferne, auch daß er künftigen Vor- 
ladungen durch Verbergung seines Aufenthalts am Orte oder im Bezirke sich nicht entziehe. 
Der Angeschuldigte hat mittels Handschlags zu versprechen, daß er dieser Bedeutung Folge 
leisten werde. 
Das Handgelöbniß wird für die ganze Dauer der Untersuchung, beziehendlich bis zum 
Antritte der Strafe, geleistet. Wird der Entlassene nach geleistetem Handgelöbnisse ver- 
haftet (Art. 159) und sodann wieder entlassen, so hat der Richter statt einer Erneuerung 
des Handgelöbnisses den Angeschuldigten bei der Entlassung auf das früher geleistete Hand- 
gelöbniß zu verweisen. 
Die Verletzung des Handgelöbnisses soll, außer dem etwa eintretenden Verluste der 
bestellten Sicherheitssumme (Art. 161), mit Gefängniß bis zu sechs Wochen oder mit 
einer Geldbuße bis zu 150 Thalern oder, dafern in der Hauptsache auf Arbeitshaus= oder 
Zuchthausstrafe erkannt wird, mit einer Verlängerung dieser Strafe, welche Verlängerung 
jedoch nicht über drei Monate ansteigen und auch in kürzeren, als monatlichen Fristen aus- 
gesprochen werden kann, geahndet werden. 
Die Entscheidung über die Bestrafung des Handgelöbnißbruches wird durch das zur 
Aburtheilung des Hauptverbrechens zuständige Gericht in demselben Erkenntnisse, in welchem 
letztere erfolgt, ertheilt. Findet eine solche Aburtheilung nicht Statt oder ist sie bereits 
erfolgt, so wird die Entscheidung über den Handgelöbnißbruch in nicht öffentlicher Sitzung 
mittels besonderen Erkenntnisses ertheilt. 
Vor der Entscheidung sind der Staatsanwalt und der Angeschuldigte mit ihren An- 
trägen und Ausführungen zu hören, und zwar ersterer auch dann, wenn die Untersuchung, 
in welcher das Handgelöbniß abgelegt wurde, auf Privatanklage eingeleitet worden war.
	        
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