Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

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Art. 346. 
Hat die Beweisaufnahme stattgefunden, so hat das Oberappellationsgericht zunächst 
der Staatsanwaltschaft und dann dem Angeklagten, wenn dieser erschienen ist, das Wort 
zur Ausführung ihrer Anträge zu ertheilen. Will die Staatsanwaltschaft hierauf nochmals 
das Wort nehmen, so ist ihr dieß zu gestatten. Jedoch gebührt dem erschienenen Ange- 
klagten und dessen Vertheiviger jedenfalls das Recht der letzten Aeußerung. 
Die Bestimmungen des Art. 296, Abs. 6, der Art. 308, 309, 310, 311 leiden 
auch bier Anwendung. « 
Art. 347. 
Entscheidung über die Berufung. 
Das Oberappellationsgericht kann das erstgerichtliche Erkenntniß nicht zum Nachtheile 
des Angeklagten abändern. 
Dasselbe ist bei seiner Entscheidung an die thatsächlichen Feststellungen des erstgericht— 
lichen Erkenntnisses gebunden und kann daher weder eine Thatsache, welche dieses Er— 
kenntniß für bewiesen erachtet, für unbewiesen, noch eine Thatsache, welche dasselbe für 
nicht bewiesen erachtet, für bewiesen ansehen, es wäre denn, daß in Betreff dieser Thatsache 
eine anderweite Beweisaufnahme (Art. 341, 1, Art. 342, Abs. 3) stattgefunden hätte. 
Dagegen kann das Oberappellationsgericht aus den thatsächlichen Feststellungen in dem 
erstgerichtlichen Erkenntnisse andere Schlußfolgerungen, als in demselben geschehen, ziehen, 
insbesondere in Bezug auf die Ueberführung und die Richtung des strafbaren Willens. 
Eben so kann es auf eine geringere Strafe auch ohne anderweite Beweisaufnahme 
erkennen. 
Art. 348. 
Das Oberappellationsgericht kann auf die Berufung, wenn sie nicht lediglich auf den 
Kostenpunkt beschränkt ist, auch die dem erstgerichtlichen Erkenntnisse unterliegende Rechts— 
ansicht seiner Prüfung unterwerfen und zu Gunsten des Angeklagten sowohl den Straf— 
antrag für rechtlich unzulässig als auch eine mildere Strafbestimmung für anwendbar er— 
klären und hiernach das Erkenntniß abändern. 
Art. 349. 
Nichtigkeitsbeschwerde. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann erhoben werden: 
J. 
von dem Angeklagten und dem Staatsanwalte, 
1) wenn bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung oder bei der Hauptverhandlung 
selbst bis zur Aburtheilung der Sache durch das Gericht eine bei Strafe der Nich-
	        
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