Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

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oder nur zu letzterer zurückgewiesen wird, ist an die Rechtsansicht gebunden, von welcher 
das Oberappellationsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist. 
Dagegen ist dasselbe bei der nochmaligen Verhandlung an die Ansichten nicht gebun— 
den, von welchen in Betreff der Beweisaufnahme, insbesondere der einzelnen Beweismittel 
und ihrer Beweiskraft, dasjenige Gericht ausgegangen ist, welches das nunmehr aufgeho— 
bene Erkenntniß ertheilt hatte, und zwar ohne Unterschied, ob dieses Gericht dasselbe ist, 
an welches die Sache verwiesen worden ist, oder nicht. 
Art. 354. 
Bedarf es in Folge der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nicht einer neuen 
Verhandlung, sondern nur eines anderweiten Erkenntnisses, so hat das Gericht vor dem— 
selben den Staatsanwalt und den Angeklagten, sowie, wenn die Vertheidigung eine noth— 
wendige ist, auch den Vertheidiger in einem anzuberaumenden Termine zu hören. 
Dieser Termin ist nicht öffentlich. In demselben ist ein Protocoll aufzunehmen. 
Dagegen gelten im Uebrigen wegen Abfassung und Bekanntmachung des Erkenntnisses 
die Vorschriften in Art. 308, 309. 
Art. 355. 
Das von dem Gerichte gesprochene anderweite Erkenntniß kann insoweit als nichtig 
angefochten werden, als behauptet wird, daß das Erkenntniß selbst oder die ihm voraus— 
gegangene neue Verhandlung an einer Nichtigkeit leide. (Vergl. insbesondere Art. 353, 
Abs. 1) 
Art. 356. 
Ist gleichzeitig eine Berufung eingewendet worden, behufs deren ein Verhandlungs— 
termin anberaumt wird, so kann das Oberappellationsgericht bestimmen, daß in demselben 
auch über die Nichtigkeitsbeschwerde mit verhandelt und entschieden werde, wovon es die 
Staatsanwaltschaft und den Angeklagten vorher zu benachrichtigen hat. 
Art. 357. 
Erkenntniß auf Todesstrafe. 
Ist auf Todesstrafe erkannt und ist hiergegen von dem Verurtheilten eine Berufung 
nicht eingewendet worden, so hat das Bezirksgericht nach Bekanntmachung des Erkenntnisses 
und nach Ablauf der im Art. 86 gedachten Frist dasselbe von amtswegen dem Ober— 
appellationsgerichte vorzulegen. 
Dasselbe hat hierauf ebenso zu verfahren, als ob der Verurtheilte gegen das Erkennt— 
niß Berufung eingewendet hätte. 
Eben so hat dasselbe zu prüfen, ob vielleicht ein Nichtigkeitsgrund zu Gunsten des 
Verurtheilten vorliege. Ergiebt sich hierbei ein solcher Nichtigkeitsgrund, so hat das Ober— 
appellationsgericht so zu entscheiden, als ob hierauf von dem Angeklagten selbst eine Nich— 
tigkeitsbeschwerde gegründet worden wäre. Es kann jedoch auch in diesem Falle deshalb, 
1855. 65
	        
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