— 331 —
Erscheinen der Strafproceßordnung üblich gewesene Denunciations- oder Rügenproceß, nicht
aber dasjenige vor den Einzelrichter gewiesene Verfahren zu verstehen ist, welches durch die
neue Strafproceßordnung in Art. 358 — 385 eingeführt worden ist. Denn, während
eines Theils die Publicationsverordnung zur Strafproceßordnung vom 13ten August 1855
im §& II sub 4 ausspricht, daß neben der letzteren die Vorschriften über das Verfahren bei
denjenigen Vergehen, deren Untersuchung und Bestrafung den Verwaltungsbehörden zugewiesen
sei, fernerweit in Gültigkeit bleiben sollen, so kommt anderen Theils hauptsächlich in Betracht,
daß die Strafproceßordnung auch hinsichtlich des Verfahrens vor dem Einzelrichter so viele
ganz singuläre, der eigentlichen Strafrechtspflege eigenthümliche und mit dem für dieselbe ein-
geführten Anklageverfahren zusammenhängende Bestimmungen enthält, daß es nicht thunlich
erscheint, dieselben ohne eine besondere gesetzliche Ermächtigung auf die Polizeistrafsachen
überzutragen. Daher haben die Polizeiobrigkeiten insbesondere auch von der zeither öfters
wahrgenommenen Anwendung der im Art. 302 der Strafproceßordnung vorgeschriebenen
Formeln der Freisprechung auf Polizeistrafsachen abzusehen, und vielmehr bei den letzteren die
früher auch im Criminalprocesse üblich gewesenen Formeln resp. „in Mangel Verdachts“ oder
„in Mangel mehreren Verdachts“ fernerweit anzuwenden.
Anlangend endlich den ebenfalls mehrfach angeregten Zweifel, ob in Polizeistrafsachen
die neue Taxordnung für Strafsachen vom 6ten September 1856 oder die Taxordnung
vom 26sten November 1840 Cap. I Tit. 2 unter A in Anwendung zu bringen sei, so
bewendet es bei der gleichfalls auf Einverständniß mit dem Justizministerium beruhenden,
den Kreisdirectionen zu Budissin und Zwickau bereits, beziehendlich in den Verordnungen
vom 27sten April dieses Jahres und 23 sten December vorigen Jahres, eröffneten Ent-
scheidung, daß in Polizeistrafsachen, ungeachtet der durch die neue Taxordnung für Strafsachen
erfolgten Aufhebung der wegen der geringfügigen Untersuchungs-, auch Denunciationssachen
in der Taxordnung vom 26sten November 1840 vorgeschriebenen Ansätze, dennoch nach
diesen zeitherigen Ansätzen fernerhin, so lange nicht deshalb eine besondere andere Anordnung
ergeht, zu liquidiren ist, da die Absicht des Justizministeriums bei Erlaß der Taxordnung
vom 6ten September 1856 überhaupt nur dahin gegangen ist, die in gerichtlichen Straf-
sachen zu berechnenden Kosten zu reguliren.
Die Kreisdirectionen erhalten hiermit Veranlassung, eine jede, die Polizeiobrigkeiten ihres
Regierungsbezirks dem Vorstehenden entsprechend mit Anweisung zu versehen.
Dresden, am 20 sten Mai 1858.
Ministerium des Innern.
Frhr. v. Beust.