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Nr. 71. Kirchengesetz,
die Gewährleistung des Stelleneinkommens von Geistlichen und Kirchen—
dienern betreffend;
vom 22. Juli 1902.
Die in Evangelicis beauftragten Staatsminister verordnen mit Zustimmung der
Evangelisch-lutherischen Landessynode wie folgt:
&1. Die Kirchengemeinden sind verpflichtet, den Inhabern solcher geistlichen Stellen,
deren katastrirtes Gesammteinkommen mit Ausschluß des Wohnungswerthes oder eines
Wohnungsgeldes die Summe von 4800 nicht übersteigt oder künftig darunter herab-
sinkt, den beim Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes und künftig jeweilig katastrirten Be-
trag des reinen Stelleneinkommens in der eingetragenen Höhe, jedoch nicht über die Summe
von 4800 hinaus, zu gewährleisten und ihnen mit den etwa aus der Staatskasse be-
willigten Stellenzulagen als festen Gehalt auszuzahlen.
Die Auszahlung hat im voraus in monatlichen, am Ersten jedes Monats fälligen
gleichen Raten zu geschehen.
#2. Das katastrirte Stelleneinkommen der im § 1 bezeichneten geistlichen Stellen
ist zu einer Besoldungskasse einzuzahlen und zu vereinnahmen. In diese fließen auch die
aus der Staatskasse bewilligten Stellenzulagen. Die im Amte begründeten Ausgaben
sind aus der Besoldungskasse vorweg zu decken.
3. Die Besoldungskasse ist von dem Kirchenvorstande, bei geistlichen Stellen, mit
denen ein Filial verbunden ist, von dem Kirchenvorstande der Mutterkirche zu verwalten.
Ueber die Einnahmen und Ausgaben hat der Kirchenvorstand in einem Anhange zur
Kirchrechnung alljährlich Rechnung abzulegen.
& 4. Reicht das reine Stelleneinkommen zur Zahlung des nach § 1 gewährleisteten
Gehaltes nicht aus, so ist der Fehlbetrag von der Kirchengemeinde aufzubringen.
#5. Dafern diese Verpflichtung die Kräfte einer Kirchengemeinde nachweisbar über-
steigt, sollen, soweit thunlich, von dem Landeskonsistorium aus den ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln entsprechende Beihülfen gewährt werden.
6. Ist nach Gewährung des festen Gehaltes in der Besoldungskasse ein Ueberschuß
vorhanden, so ist die Kirchengemeinde berechtigt, ihn auf die Fehlbeträge zu verrechnen,
die sie im Laufe eines erstmalig von Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes ab zu berechnen-
den fünfjährigen Zeitraums hat aufbringen müssen. Verbleibt danach noch ein Ueber-
schuß oder macht die Kirchengemeinde von dem im Satz 1 erwähnten Rechte keinen Ge-