Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1904. (70)

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8 11. 1. An jeder Schule muß für den deutschen Unterricht ein eingehender Plan Bemerkungen. 
vorhanden sein, der die Lehraufgaben der sämtlichen Klassen bis ins einzelne genau feststellt, 
auch die Lesestücke bezeichnet, die jedenfalls auswendig zu lernen oder wenigstens zu 
behandeln sind. Wünschenswert ist, daß er auch Winke gibt wegen der den Schülern zu 
empfehlenden häuslichen Lektüre. 
2. Da der grammatische Unterricht der Klassen VI bis IV die allgemeine Grund- 
lage auch für die grammatische Unterweisung in den Fremdsprachen zu schaffen hat, so 
ist es unbedingt erforderlich, daß die Wortklassen, der einfache Satz und seine Erweiterungen 
und die verschiedenen Arten der Nebensätze nach einem festen Plane und unter steter 
Anwendung der vereinbarten Kunstausdrücke genau durchgenommen und durch zahlreiche 
Übungen im Satzzerlegen sicher eingeübt werden. Dagegen ist die Unterweisung in 
Formenlehre und Syntax auf eine Auswahl des praktisch Wichtigen oder sprachgeschichtlich 
Bemerkenswerten zu beschränken. Zu wünschen ist, daß der grammatische Unterricht durch 
Unschluß an geeignete Prosastücke, Vorführung von Mustersätzen, Bildung von Beispielen 
nach gegebener Weisung, gelegentlich auch durch kleine Denkübungen möglichst belebt wird. 
3. Der Lesebuchunterricht hat es als seine Hauptaufgabe anzusehen, den 
Gedankenkreis der Schüler zu erweitern und zu klären und diese für das Große und 
Schöne in den vorzuführenden Lesestücken zu erwärmen, hat somit immer der Form und 
dem Inhalte gleicherweise Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Erklärung von Gedichten 
hat darauf bedacht zu sein, diese im wesentlichen durch sich selbst wirken zu lassen, daher 
nur das zum Verständnis Nötige in Kürze hinzuzubemerken, keinesfalls aber Sprach- 
oder Denkübungen im Anschluß an solche vorzunehmen. Von umfangreicheren Dichtungen 
(Bühnenstücken, Epen) sind in der Klasse nur ausgewählte Stellen zu lesen; das übrige 
ist der häuslichen Lektüre zuzuweisen und im Unterrichte nachträglich zu besprechen. 
Soweit Dichtwerke dieser Art eine bestimmte Gliederung aufweisen, ist diese gebührend 
zu beachten, wogegen kleinere Gedichte möglichst als einheitliche Ganze zu behandeln sind. 
4. Bei der Beurteilung der Aufsätze ist das Hauptgewicht auf Klarheit und 
Sprachrichtigkeit zu legen. Die Aufgaben für diese sind so zu stellen, daß auch auf der 
obersten Stufe den Schülern völlig freie Erfindung nicht zugemutet wird. Soweit sie 
sich nicht an bestimmte Unterlagen oder Vorbilder anlehnen, ist die Bearbeitung durch 
Besprechen des Stoffes unter Hinweisung auf wesentliche Gesichtspunkte vorzubereiten. 
5. In allen Klassen sind die Lernenden planmäßig im zusammenhängenden 
Sprechen zu üben, wobei die Stufenfolge einzuhalten ist: genaue, dann freiere Nach- 
erzählungen, Inhaltsangaben, eingehendere Berichte über Gehörtes oder Gelesenes, kleine 
Vorträge nach ausführlichen, dann kürzeren Entwürfen. 
6. Gangbare Fremdwörter sind bei gegebenem Anlaß zu erwähnen und zu erläutern. 
Für ihren eigenen Gebrauch ist den Schülern aber angelegentlich zu empfehlen, einer 
1904. 2
	        
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