Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1909. (75)

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Minderjährigen auch die Bezirksschulinspektion zuständig. Untere Verwaltungsbehörde im 
Sinne dieser Vorschrift ist die Amtshauptmannschaft, in Städten mit der Revidierten 
Städteordnung der Stadtrat. 
8 4. Das Vormundschaftsgericht hat die einschlagenden Verhältnisse zu erörtern und 
die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. 
Vor der Anordnung der Fürsorgeerziehung sollen die Eltern, der Vormund oder 
Pfleger des Minderjährigen gehört werden, es sei denn, daß deren Anhörung untunlich 
ist. Nicht minder sollen, dafern solches ohne erhebliche Schwierigkeiten und unverhältnis- 
mäßige Kosten geschehen kann, Verwandte oder Verschwägerte gehört werden sowie in 
allen Fällen die Ortsbehörde am gewöhnlichen Aufenthaltsorte des Minderjährigen, der 
zuständige Geistliche, der Arzt und bei noch vorhandener Schulpflicht der Leiter oder 
Lehrer der Schule, welche der Minderjährige besucht. 
Geht das Vormundschaftsgericht von Amts wegen vor, so ist der Antragsbehörde 
(§ 3 Absatz 3), wenn dies nicht bereits nach Absatz 2 geschehen ist, vor der Entscheidung 
unter Mitteilung der Akten Gelegenheit zu einer Außerung zu geben. 
8 5. Die Verfügung des Vormundschaftsgerichts ist mit Gründen zu versehen und 
muß, wenn die Fürsorgeerziehung angeordnet wird, erkennen lassen, auf Grund welcher 
für erwiesen erachteten Tatsachen sie für zulässig befunden wird. 
Die Verfügung ist dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, der Antragsbehörde 
und, wenn die Fürsorgeerziehung angeordnet wird, der Vollzugsbehörde (87 Absatz 1) 
bekannt zu machen. 
Gegen die Verfügung steht der Antragsbehörde und, wenn die Fürsorgeerziehung 
angeordnet wird, auch den sonst im Absatz 2 Genannten die sofortige Beschwerde zu. Die 
Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. 
8 6. Ist sofortiges Einschreiten dringend geboten, so kann das Vormundschafts- 
gericht, ohne an die Vorschriften des § 4 oder an die aufschiebende Wirkung einer erhobenen 
Beschwerde gebunden zu sein, die vorläufige Unterbringung des Minderjährigen verfügen. 
Die Verfügung ist den im § 5 Absatz 2 Genannten bekannt zu machen. Beschwerde findet 
nicht statt. 
8 7. Der Vollzug der Fürsorgeerziehung und deren weitere Behandlung im einzelnen 
Falle liegt den Amtshauptmannschaften, in Städten mit Revidierter Städteordnung den 
Stadträten ob, die Durchführung der Fürsorgeerziehung im allgemeinen, insbesondere in 
wirtschaftlicher Beziehung den Fürsorgeverbänden (8 8). 
Maßgebend für die Zuständigkeit der Vollzugsbehörde und des Fürsorgeverbandes ist 
der Ort, der die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts begründet hat.
	        
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