148 Drittes Kapitel.
an die individuelle Freiheit zurück, wenn er an zufällige
Merkmale Beschränkungen oder Versagung der gemeingül-
tigen Rechtsfähigkeit knüpft. Er erweitert die rechtlichen
Grenzen der individuellen Kompetenz über die sittlichen
Schranken hinaus überall da, wo er, ohne durch seine äusser-
liche Natur genöthigt zu sein, den Satz gelten lässt: non omne
quod licet, honestum est.
Und so gilt vonallen Personen im Staate in jedem Sinne
der Satz: Niemand kann sich selbst seine Kompetenz erwei-
tern. Aber er trifft nicht zu für den Staatselbst.
Eine flüchtige historische Betrachtung lehrt uns, wie der
Staat seine Aufgaben im Einzelnen und damit seine Kompe-
tenzen im Wechsel der sozialen, sittlichen und religiösen An-
schauungen wechselt. Er nimmt heute das in den Bereich
seiner Wirksamkeit auf, was er morgen von sich stösst, um es
der Selbstthätigkeit seiner Bürger und ihrer Gemeinschaften
zu überlassen.
Damit bleibt die Forderung bestehn, dass auch dem
Staate um seiner Idee, um seiner sittlichen Zwecke Willen
Grenzen gesetzt sind. Und es ist die erste Voraussetzung
alles Staatsrechtes, dass die Grenzen zu rechtlichen gefestigt
werden.
Aber in der sittlichen Natur des vollkommenen Staates
liegt die Selbstbestimmung zu seiner Idee. Und dieser seiner
sittlichen Natur, entfaltet in einer obersten Herrschaft über die
menschliche Gemeinschaft, entspricht die Rechtsmacht der
Selbstbestimmung seiner Kompetenz. Wenn der konkrete
Staat im Wechsel der konkreten Voraussetzungen seine Auf-
gaben im Einzelnen erweiternd oder beschränkend wechselt,
so befreit er sich damit nicht von den begrenzenden Anforde-
rungen seiner Idee, aber er empfängt rechtlich die damit
wechselnden Grenzen seiner Kompetenzen nicht von einer
übergeordneten Autorität, sondern er setzt sie sich selbst in
den verfassungsmässigen Formen seiner Willensbildung ®®.
\ >» Die Ausführungen Zachariä’s, lie Verfassungsänderung, insbeson-
dere pag. 16. 17. beruhen auf einer stetigen Verwechselung der Anforderung,