Einleitung.
81.
Der Stand der Literatur.
Die Wissenschaft des deutschen Staatsrechtes legt in
neuerer Zeit dem Worte „Gesetz“ einen doppelten Sinn bei.
Sie unterscheidet das „Gesetz im formellen Sinne“ oder
das „formelle Gesetz“ und das „Gesetz im materiel-
len Sinne“ oder das „materielle Gesetz“. Sie bezeichnet
damit zwei Begriffe von verschiedenem Umfange.
Gewiss sind von jeher an der Erscheinung des Gesetzes
Form und Inhalt auseinander gehalten worden. Das Verhält-
niss, in welchem die eine Seite des Begriffes zu der andern
steht, konnte der Erörterung nicht entgehn. Und hierbei ist
in einzelnen Bemerkungen zu verschiedenem Zwecke und in
verschiedenem Zusammenhange der Gedanke aufgetaucht, dass
es Gesetze gäbe, die, in Verfehlung ihres Berufes, dem wah-
ren Wesen des Gesetzes fremdartige Dinge enthielten, z. B.
den Staatshaushalts-Etat. Seligmann — Der Begriff des
Gesetzes pag. 1 ff. — hat diese vorbereitenden Stimmen der
Literatur sorgfältig gesammelt.
Zu einer allgemeinen und grundsätzlichen Bedeutung aber
ist die zwiespältige Auffassung des Begriffes des Gesetzes erst
durch die „Studien über das preussische Staatsrecht“
von E. A. Chr. (von Stockmar) — Aegidi’s Zeitschrift
pag. 179 ff, 1867 — erhoben worden. Er hat die doppelte
Begrifisbestimmung des Gesetzes in voller Abrundung fest-
gestellt. Allerdings gestattete ihm sein Thema, die Unter-
suchung der Frage: „welche Rechtsmittel bietet das preussische
Staatsrecht gegen Übertretungen der Verfassung durch den
Erlass verfassungswidriger Normen?, die Folgerungen nur nach
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