auch die im Oktober 1895 von der Times aus Hongkong gebrachte,
von Petersburg aus alsbald dementierte Nachricht doch wahr, die
Nachricht nämlich, daß seit längerer Zeit ein russisch-chinesischer
Geheimvertrag bestehe, der Rußland das Recht einräume, seine sibi-
rische Bahn durch die Mandschurei zu führen und Kriegsschiffe in
Port Arthur vor Anker gehen zu lassen. Jedenfalls durfte Rußland
bei seinem Bestreben, Japan an dem Erwerb von Liautung zu ver-
hindern, mit Sicherheit auf die Unterstützung seines neuen Bundes-
genossen in Europa, Frankreich, rechnen. War es doch auch für
Frankreich als Besitzer von Indochina politisch nicht gleichgültig,
daß China dem beherrschenden Einfluß Japans unterworfen werden
sollte. Was aber Deutschland veranlassen konnte, im ostasiatischen
Bunde der Dritte zu sein, das blieb zunächst dunkel und streitig.
Wohl war die Stellung, die sich der deutsche Handel in China er-
worben hatte, schon stärker als die des russischen und des franzö-
sischen Handels. Unter den Fremden in China nahmen die Deut-
schen der Kopfzahl nach die zweite Stelle ein. Viele der ersten
Handelshäuser in den chinesischen Vertragshäfen waren deutsche
Firmen. Seit sieben Jahren bestand die Deutsch-—asiatische Bank,
seit neun verkehrten zur Hebung der Ein= und Ausfuhr die ostasia-
tischen Reichspostdampfer. Aber in ähnlicher Weise polttisch inter-
essiert wie die anderen beiden Einspruchsgenossen war das Deutsche
Reich nicht, im Gegenteil stand von vornherein als politischer
Verlust die Abkehr Japans von seiner bisherigen dankbaren Freund-
schaft für Deutschland fest.
Fürst Bismarck gab seine Meinung dahin kund, daß die handels-
politischen Gründe zur Erklärung des Schrittes nicht ausreichten.
Er fürchtete, daß ein „Arbeiten auf Prestige“ mitspielte. Der
billigenswerte Zweck, zu beweisen, daß sich Deutschland in den
englisch-russischen Gegensatz nicht zugunsten Englands einmischen
wollte, hätte nach seiner Ansicht schon durch die Bekundung wohl-
wollender Neutralität erreicht werden können. Die auffällige anti-
englische Schwenkung der deutschen Politik in Östasien schien ihm
ein Symptom für den fortdauernden Mangel der wichtigen Fähig-
keit des ruhigen Abwartens zu sein. Nachdem der „Sprung ins
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