Full text: Der neue Kurs.

mus in bezug auf die zukünftige kommunistische Gesellschaft — 
da ist der Mensch nur edel, hilfreich und gut. Im Jahre 1850 
hatte Marx in den von ihm und Arnold Ruge herausgegebenen 
Deutsch-französischen Jahrbüchern geschrieben: Die Waffe der Kri- 
tik könne die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Ge- 
walt müsse gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch 
die Theorie werde zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen 
ergreife. 
In der Zeit, von der ich erzähle, hatte die Theorie bereits die 
Massen ergriffen. Der Fetischglaube an die Wunderkraft der kom- 
munistischen Gesellschaft setzte sich so radikal fest, daß grund- 
sätzlich Fähigkeit und Beruf des Gegenwartsstaates zu wirklichen 
Reformen geleugnet wurde, was nicht hinderte, daß die Partei in 
ihrer agitatorischen Praxis das Verdienst an offenbaren Fortschritten 
in der sozialen Gesetzgebung ausschließlich für sich in Anspruch 
nahm. Erst im Laufe dieses Jahrhunderts hat es in der sozial- 
demokratischen Literatur an kritischen Arbeiten gegen die Einseitig- 
keiten und Schwächen der Marrschen Theorie nicht gefehlt. 
Vor allem war es der Optimismus eines Führers wie August 
Bebel, der die Massen hinriß. In seinem bürgerlichen Leben war 
er die friedliche Ehrbarkeit selbst, wie Robespierre Philister, der 
sich als Weltbürger fühlt. Sein Redefluß bewältigte die längsten 
Perioden, sprang aber auch spielend in kurzen rhetorischen Fragen wie 
über Stromschnellen dahin. Seine Gesinnung war immer grund- 
ehrlich, auch wenn ihm, was nicht selten vorkam, seine Leichtgläubig- 
keit einen Streich gespielt hatte. Noch in ergrautem Haar war er 
feurig wie ein Jüngling, und wenn er auf der Rednertribüne mit 
Halbrechtsschwenkung seinen Finger wie eine Rute erhob und auf 
den mit schief geneigtem Haupte in sich zusammengesunkenen Für- 
sten Hohenlohe einredete, konnte man begreifen, wie sehr der für 
keinen Überfall gerüstete dritte Kanzler solche Szenen scheute. Bebels 
Optimismus war naiv und phantastisch zugleich und wirkte gerade 
darum so stark auf die Massen. In seinem Buche „Die Frau“ 
schrieb er z. B. über den Zukunftsstaat: „Da die Herrschafto= und 
Knechtschaftsverhältnisse durch Aufhebung der bisherigen Eigen- 
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