Full text: Der neue Kurs.

tumszustände untergehen, hat auch der politische Ausdruck dafür 
keinen Sinn mehr. Der Staat hört mit dem Herrschaftsverhältnis 
auf, wie die Religion aufhört, wenn der Glaube an übernatür— 
liche Wesen oder an vernunftbegabte, übersinnliche Kräfte nicht 
mehr vorhanden ist.“ An einer anderen Stelle heißt es: „Mord? 
Weshalb? Es kann keiner am anderen sich bereichern, und der 
Mord aus Haß und Rache hängt immer wieder direkt oder indirekt 
mit dem heutigen Sozialzustand zusammen. Meineid, Urkunden— 
fälschung, Betrug, Erbschleicherei, betrügerischer Bankerott? Das 
Privateigentum fehlt, an dem und gegen das diese Verbrechen 
begangen werden konnten. Brandstiftung? Wer soll daran Freude 
und Befriedigung suchen, da die Gesellschaft ihm jede Möglich— 
keit zum Haß nimmt.“ » 
Mit der Herrschaft der kommunistischen Ideen bildete sich 
natürlich auch der internationale Zug der Partei stärker aus. Na- 
mentlich mit den französischen Sozialisten wurde enge Fühlung 
gehalten und die gegenseitige Solidarität öffentlich verkündet. Zur 
Feier der Erinnerung an den Kommuneaufstand von 1871 sandten 
Mitglieder der Reichstagsfraktion im März 1892 eine Begrüßung 
an Lafargue, in der gesagt war: „Der Kampf, weit entfernt, eine 
mildere Form angenommen zu haben, wird von Tag zu Tag er- 
bitterter. Alle Parteien haben sich gegen uns vereinigt — der 
Staat und die Kirche haben sich gegen uns verbündet, aber wir 
bieten ihnen die Stirn, wir marschieren immer vorwärts und wer- 
den sie alle schlagen.“ Ahnliche Adressen wurden fast jedes Jahr 
ausgetauscht. 
Die bürgerlichen Gegner der Sozialdemokratie erkannten wohl 
mehr und mehr, daß deren stetig zunehmende Gewalt über die 
Gemüter keineswegs bloß auf grobe materielle Instinkte und poli- 
tische Machtansprüche gegründet, sondern von einem eigenen Schatz 
von Forschungen und humanen Ideen getragen war. Gleichwohl 
nahm sich der kritische Kampf gegen die sozialistischen Bestre- 
bungen häufig nur die Oberfläche, Versammlungen, Ausstände, 
Boykotts, Straßendemonstrationen, fanatische Ausbrüche in Wort 
und Schrift zum gziel, ohne die inneren Ideen zu treffen, aus 
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