Full text: Der neue Kurs.

fürchterlichsten Worten bezeichnen hören. Für mich blieb er der 
durch krankhafte Veranlagung zum Unheilvollen prädestinierte, aber 
doch immer vom reinsten patriotischen Streben geleitete Mann. 
Sein Wille zur Macht, seine Leidenschaft, vom Schnürboden 
aus die Vorgänge und Personen auf der offenen Szene an ge- 
heimen Drähten zu lenken, für den Zuschauer unsichtbar, für 
nichts verantwortlich, war dadurch entschuldigt und beinahe erklärt, 
daß er ganz frei von Eitelkeit und persönlichem Ehrgeiz war. 
Auf Außerlichkeiten gab er nichts, besuchte keine Gesellschaften, 
trug nie einen Orden, allerdings auch niemals einen Frack. Als 
ihn, und zwar auf seinen eigenen Wunsch, Fürst Bülow eines 
Abends, zu dem sich der Kaiser angesagt hatte, diesem vorführen 
wollte — es war 1905 und meines Wissens überhaupt die erste 
Begegnung mit dem Kaiser —, zeigte es sich, daß Holstein über 
keinen salonfähigen Frack mehr verfügte und also im Uberrock 
erscheinen mußte. Die Schwäche anderer für Orden nahm Holstein 
nur ernst in dem Falle, daß es eine Zurücksetzung gewesen wäre, 
keinen zu erhalten. 
Was sonst in seinem Charakter Sympathisches war, kann 
man am besten bei M. Harden nachlesen. Von dem Menschen 
Fritz v. Holstein hat Harden in seinen „Köpfen“ mit großer 
Kunst ein literarisches Bild entworfen, in dem alle edeleren Züge 
dieser problematischen Natur, insbesondere die Reinheit der Mo- 
tive ihreo Handelns, getreu wiedergegeben, daneben aber auch „die 
Flecken auf der inneren Iris“ und bösen Erzesse in der Wahl 
der Mittel nicht übergangen sind. Nietzsche spricht einmal von 
der angenehmen Verderbtheit meiner thüringischen Landsleute, daß 
sie, selbst wenn sie auf dem Wege zur Wahrheit sind, noch immer 
die Schleichwege vorziehen. Holstein scheute in der Tat auch „stin- 
kende Winkelgäßchen“ nicht. Harden erwähnt ferner, daß sich Hol- 
stein gern der Tugend der Wahrhaftigkeit rühmte. Aber Wahr- 
heitsliebe im concreto war gerade nicht seine starke Seite. Ge- 
wiß, er schätzte offenes Wesen und mochte selbst an seine eigene 
Aufrichtigkeit glauben. Er war auch nicht eigensinnig im Sach- 
lichen, ließ Widerspruch gelten, wenn er einmal das Einfache nicht 
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