von den Organen der öffentlichen Meinung aufgenommen. Da
war kein großer Apparat mit Hebeln und Zangen nötig.
Das einzige öffentlich bekannt gewordene Wort des Grafen
Caprivi aus der Zeit nach seiner Kanzlerschaft lautete dahin, daß
es seine Aufgabe gewesen wäre, die Nation nach der vorange-
gangenen Epoche großer Männer und Taten in ein Alltagsdasein
zurückzuführen. Da die Wirkungen auf die öffentliche Meinung,
die von selbst und ohne besondere Nachhilfe von der Macht der
Persönlichkeit Bismarcks ausstrahlten, weggefallen waren, mußte
nun die Tagespresse sorgfältiger beobachtet und die Vertretung
nationaler und amtlicher Interessen in ihr planmäßig gepflegt
werden, eine Aufgabe, die erst allmählich erkannt wurde und die
viel mehr Kräfte erforderte, als zur Verfügung standen. Caprivi
hatte bei seinem Amtsantritt geglaubt, in der inneren Reichs-
politik ohne alle Beziehungen zur Presse auskommen zu können.
Der Nachfolger Rottenburgs in der Reichskanzlei, der aus der
Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts übernommene Wirkliche
Geheime Legationsrat Göring, ein Schulfreund Caprivis, gab sich
mit Preßangelegenheiten überhaupt nicht ab. Der neue Preßrefe-
rent im Auswärtigen Amt hatte also auch, nachdem Graf Caprioi
inzwischen von seinem Irrtum zurückgekommen war, die Ver-
tretung der inneren Reichspolitik in der öffentlichen Meinung mit
zu übernehmen.
Die gesamte Presse der alten Kartellparteien folgte dem ge-
sprochenen und geschriebenen Wort des Altreichskanzlers. In allen
Teilen des Reichs standen dankbare und ehrliche Anhänger auf,
um in übertriebener Erbitterung und mit unbilligem Urteil das
Land gegen die Männer des neuen Kurses mobil zu machen.
Es gab aber auch unehrliche, Freibeuter und Schelme, die hinter
dem Rücken des großen Kämpfers das Land verwüsteten. So trieb
z. B. in der Saalezeitung in den Jahren 1890/91 ein Berliner
Korrespondent sein Wesen, der mit falschen Nachrichten über Würden-
träger bei Hofe und in der Regierung das Menschenmögliche an
Vergiftung der Stimmung leistete. Dieses Treiben hörte dann
in der Saalezeitung auf, setzte sich aber in der ausländischen
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