Full text: Um den Kaiser.

reden von Abgeordneten in die Regierungsgeschäfte nicht an. In 
der Antwort wurde zugegeben, daß die Ubergriffe von Zentrumsabge- 
ordneten in den inneren Kolonialdienst den Widerstand des Reichs- 
kanzlers herauoforderten, eine Beschränkung des Verkehrs mit Abge- 
ordneten auf das Nötigste zugesagt und zugleich auf den demnäch- 
stigen Empfang des Zentrumführers Spahn vorbereitet, dem klar- 
gemacht werden sollte, daß die Angebereien kbatholischer Beamten, 
der Mißbrauch amtlicher Aktenstücke und die Nebenregierung der Mis- 
sion in Togo aufhören müßten. Etwas Ahnliches, nur in viel 
schärferen Formen, hatte man schon in den letzten Tagen der Amts- 
zeit des Fürsten Biomarck nach dem Empfange Windthorsts erlebt. 
Die unbefriedigenden Ergebnisse der auswärtigen Politik, die 
Kolonialskandale und neue Betätigungen des persönlichen Regiments 
hatten in weiten Kreisen großes Unbehagen erregt. Im Reiche wim- 
melte es von Schwarzsehern, die der Kaiser eben ersi in Breslau 
verbannt hatte. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Verdrossenheit 
im Lande auch im Reichstage widerhallte. Gleich nach Beginn 
der Arbeiten kam durch eine Interpellation des Abg. Bassermann 
die internationale Lage zur Debatte. Der Kanzler war darauf ge- 
faßt. Seine fast zweistündige Rede über auswärtige Politik hatte 
in der Presse keinen durchschlagenden Erfolg, konnte ihn nach Lage 
der Dinge nicht wohl haben. Für die Besserung des Verhältnissec 
zwischen Deutschland und England verlangte er Zeit und Geduld und 
fügte hinzu: „Der Stand des politischen Barometers ist jetzt glück- 
lich von Regen und Wind auf veränderlich gegangen. Forcieren läßt 
sich das nicht.“ In der Debatte kehrten auch Klagen über impul- 
sive Reden und persönliches Regiment wieder. Mit einer sehr ge- 
schickten Mischung von Lob und Warnung half er sich über das heikle 
Thema hinweg: Lob für die starke Persönlichkeit des Kaisers 
und ein deutlicher Wink gegen zu häufiges Hervortreten und zu weit 
getriebenen Subjektioismus, was wohl einen Minister veranlassen 
könnte, die Verantwortung vor Krone, Land und Geschichte ab- 
zulehnen. « 
Nur wenige dachten an einen schweren Konflikt zwischen der 
Regierung und einer Mehrheit des Reichstages. Das änderte sich 
11
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.