III. Die konservativ-liberale Paarung.
Zunächst ein Kuriosum, wie Schlagworte entstehen. Auf dem
Mahle, das ein kolonialpolitischer Ausschuß von Führern liberaler
Berufe am 19. Januar 1907, kurz vor der Hauptwahl zum
Reichstag in Berlin veranstaltete, wollte Fürst Bülow eine Rede
halten. In dem Entwurf stand, die koloniale Tätigkeit fordere
die Paarung liberalen Geistes mit konservativer Besonnenheit, und
es sei hoffentlich nicht zu optimistisch, das Zusammengehen konser-
vativer und liberaler Parteien am 13. Dezember, dem Tag der
Auflösung, als einen Wendepunkt für unser inneres Parteileben zu
betrachten. Bei der Vorbesprechung über den Entwurf warf Herr
v. Lvebell ein, seine alten Parteigenossen seien leicht empfindlich,
wenn immer nur den Liberalen Geist zugesprochen würde. Nach
mehreren mißglückten Versuchen, eine andere Fassung zu finden,
schlug ich vor, dann eben auch den Konservativen „Geist“ zu be-
willigen. So kam die Paarung konservativen Geistes mit liberalem
Geiste zustande und wurde dann allgemein vom Kolonialen auf das
Innere übertragen.
Bei den Wahlen hatte das Schlagwort seine Wirkung getan.
Ob aber die konservativ-liberale Paarung auf lange Zeit die innere
Lage beherrschen würde, mußte vom ersten Tage an zweifelhaft
erscheinen. Die inneren Gegensätze zwischen rechts und links waren
zu groß. Das Wort Grillparzers, daß Osterreich mit seinen unter-
einander hadernden Nationalitäten widersinnig gekuppelten Pferden
gliche, traf auch auf die Paarung zu, wenigstens waren es wider-
willig gekuppelte Pferde, die künftig den Reichswagen ziehen sollten.