kleineren Gesetzen dem Reichshaushalt fürs kommende Jahr. Die
erste Maßregel, die man als ein Zugeständnis an die linke Block-
seite ansehen konnte, war ein Stellenwechsel. Der Staatssekre-
tär des Innern Graf v. Posadowski war mit dem gentrum, nament-
lich bei der Beratung des Jolltarifs und sozialpolitischer Entwürfe,
gut gefahren. Die neue Ara gefiel ihm nicht, er ließ es merken,
im Juni 1907 bekam er seinen Abschied. Gleichzeitig trat auch der
preußische Kultusminisier Studt, ein stockkonservativer Mann, von
seinem Posten zurück!
Die ersten sachlichen Proben auf das Blockerperiment konnten
erst in der Herbsttagung gemacht werden. Die dringlichste Aufgabe
wäre nach dem Fehlschlag der letzten sog. Finanzreform eine Ver-
mehrung der Reichseinnahmen um 4—500 Mill. M. gewesen, eine
Summe, die in jener glücklichen Zeit des wirtschaftlichen Auf-
schwungs für ungeheuer galt. Bei den gerade auf diesem Gebiete be-
stehenden Gegensätzen zwischen rechts und links hätte die Regelung
dieser Frage für die konservativ-liberale Paarung, noch bevor sie
einigermaßen eingespielt war, gefährlich werden können, weshall
sie aufs nächste Jahr verschoben wurde. Milderung der Strafen
für Majestätsbeleidigungen, Reichsvereinsgesetz, Börsenreform waren
leichtere Aufgaben, wenn sie auch immer genug Schwierigkeiten
boten. Inzwischen hatte schon ein im Sinne des Kanzlers rollen-
widriger Seitensprung des Abg. Naumann das bünftige Zusammen-
spiel der neuen Mehrheit auf der Reichstagsbühne arg gefährdet.
Im August 1907 trat Naumann in mehreren Artikeln mit der
Forderung der Liberalisierung des preußischen Staats, vor
allem durch schleunige Einführung des allgemeinen direkten Wahl-
rechts hervor. Er erzielte damit zwar eine größere Einmütigkeit
unter den drei Parteien der bürgerlichen Linken, die ihrer späteren
Verschmelzung vorarbeitete, zugleich aber wirkte der Vorschlag wie
eine Sprengpatrone für den Block im Reiche. Während der Vor-
sioß den Blockgegnern, Zentrum und Sozialdemokratie, natürlich
willkommen war, frugen mittelparteiliche Blätter, ob denn der
Freisinn mit seiner zur Unzeit erhobenen Forderung immer noch die
Partei der verpaßten Gelegenheiten bleiben wollte, und erklärte die
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