Verfehlungen im Potsdamer Offizierkorps beschäftigt hatte. Vor
Beginn der Sitzung am 4. Dezember erschien Fürst Bülow im
Reichstag, ließ die Führer der Blockparteien zu sich bitten und
erbklärte ihnen: es sei aussichtslos, die Geschäfte im Sinne der am
13. Dezember 1906 begonnenen Politik zu führen, wenn die zum
Zusammenwirken berufenen Parteien fortfahren würden, gegenein-
ander und gegen die Regierung zu kämpfen. Am nächsten Tage
gaben die Führer Erklärungen im Plenum ab, die darin übereinstimm-
ten, daß die Blockpolitik fortgesetzt und unterstützt werden soll“.
Dabei machten die Konservativen die Klausel: „soweit sie sich mit
unseren Grundsätzen verträgt“, während sich die Freisinnigen die
Wahrung ihrer politischen Grundsätze vorbehielten, so daß noch
genug Spielraum für neuen Streit unter den Blockparteien übrig-
blieb.
Die Hauptaufgaben der Tagung, an denen sich die konservatio-
liberale Paarung erproben sollte, waren in einer vom Leichteren
zum Schwereren aufsteigenden Reihenfolge: Milderung der Strafen
für Majestätsbeleidigungen, Börsenreform, Vereins= und Versamm-
lungogesetz. Der erste dieser Entwürfe wurde schnell erledigt. Auch
der zweite, die Börsenreform, bereitete keine großen Schwierigkeitn,
da die Agrarier gegen die Beseitigung des Börsenregisters und des
Verbots des Terminhandels in Bergwerks= und Industrieaktien keine
besonderen Einwände erhoben und sich damit zufrieden gaben, daß
das Termingeschäft an der Produktenbörse erschwert wurde. Da-
gegen mußte der Block bei der dritten Aufgabe, der endlichen Verein-
heitlichung des Vereins= und Versammlungsrechts für das Reich,
wieder eine schwere Belastung überstehen. Die Kommission stritt
mehr als ein Vierteljahr lang über das Mehr oder Weniger von
freiheitlichem Geist, in dem die Vorlage Gesetz werden sollte. Der
Streit ging hauptsächlich um den sog. Sprachenparagraphen.
Grundsätzlich sollten die Verhandlungen in öffentlichen Versamm-
lungen nur in deutscher Sprache geführt werden. Die Bestimmung
zielte hauptsächlich auf die polnische Bevölkerung der Ostmarken und
auf die polnischen Arbeiter im rheinisch-westfälischen Industrie-
gebiet ab. Mit Not und Mühe kam in der Kommission ein Kom-
29