Full text: Um den Kaiser.

Freilich: Man kann sagen, daß auch ohne die Enteignung, ohne 
den Sprachenparagraphen und ohne die Unterdrückungsmaßregeln 
in Verwaltung und Schule das heimliche Sehnen des größten 
Teils der preußischen Polen nach Wiedervereinigung mit den russi- 
schen Polen dasselbe geblieben wäre, wie es das ganze vorige Jahr- 
hundert ausgedauert hatte. Aber es bleibt deshalb doch wahr, daß 
die harte Methode der Germanisierungspolitik die Absonderungsbe- 
strebungen mehr gefördert als gehindert hat. Fürst Radziwill ist 
häufig als Sprecher im Reichstag und im Herrenhaus für die 
Loyalität der großen Mehrheit seiner Stammeögenossen eingetreten, 
die auch in ernsten äußeren Gefahren nicht versagt hätte und nicht 
versagen würde. Nicht als schlauer Schönfärber, sondern als ehr- 
licher Optimist unterschätzte er den Wandel, der in den letzten Jahr- 
zehnten in der Stimmung der polnischen Bürger und Bauern ein- 
getreten war. Die Führung war immer mehr vom adligen Grund- 
besitz an das demokratisch organisierte Bürgertum in den Städten 
übergegangen. Wohl haben im Weltkriege die polnischen Soldaten 
ihre Schuldigkeit getan, wieviel verhaltener Groll aber vorhanden 
war, zeigte sich nach der deutschen Niederlage in dem wilden Aus- 
bruch fanatischen Hasses gegen die deutschen Mitbewohner der Osi- 
marken als Folge der falschen politischen Psychologie bei der Be- 
handlung der Polengefahr. Der Oberpräsident Schwartzkopf hatte 
bald nach Antritt seines Amts die Fehler erkannt, ein rascher Tod 
ließ ihm keine Zeit, sie wieder gutzumachen. 
Nach der glücklichen Uberwindung des Streites um das Ver- 
einsgesetz war der Block auf der Höhe. Es waren wirkliche libe- 
rale Errungenschaften, die mit Hilfe des Blocks zustande gekommen 
waren. Von den nationalliberalen und freisinnigen Blättern wurde 
das Ergebnis der Tagung mit größter Genugtuung begrüßt und 
der konservativ-liberalen Paarung noch eine lange Dauer gewünscht. 
Von der Kölnischen Zeitung bekam Fürst Bülow das Lob, daß 
hinfort von einem Kanzler nicht bloß der schönen Reden, sondern 
auch der Taten gesprochen werden dürfte. Auch der Kaiser war mit 
den Erfolgen Bülows sehr zufrieden und ließ seine Anerkennung 
öffentlich kundgeben. Solange die kaiserliche Huld für den Kanzler 
* Hammann, Um den Kaiser 33
	        
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