Full text: Um den Kaiser.

Etatpostens für die Museumsverwaltung) nicht besinnen und stellte 
auch den Streit mit Lippe in Abrede. 
Dieses Nichtwissen oder Nichtwissenwollen von allbekannten 
Tatsachen hätte Besorgnis erregen können, wenn nicht sonst auch 
Fälle vorgekommen wären, in denen sich der Kaiser in irgendwelcher 
ärgerlichen Aufwallung ähnlich verhalten hätte. Es war für ihn 
die Form, um auszudrücken, daß er nicht auf das Thema einzu— 
gehen wünschte. 
Die Audienz vom 11. März endigte in Versöhnung. Der 
Kaiser sprach sich hinterher sehr froh aus, allerdings mit der Va- 
riante, daß Bülow sein Unrecht eingesehen und um Verzeihung ge- 
beten habe. Daher die niemals geweinten Tränen Bülows, des 
reuigen Sünders, die sofort unter Beihilfe der „Kaiserlichen“ in 
die Spalten einzelner Blätter vergossen wurden. 
Bei diesem Stande der inneren Beziehungen war es wahr- 
scheinlich, daß der Bruch über kurz oder lang eintreten würde. In 
jener Zeit ließ sich der Kaiser wiederholt Ballin aus Hamburg kom- 
men, um sich mit diesem ebenso zuverlässigen wie klugen Manne, 
der wahrhaftig keine Kamarillapflanze war, im engsten Kreise zu 
unterhalten, auch über den Kanzler. Das eine Mal — es war 
zwischen Ostern und Pfingsten — áußerte der Kaiser, wie ich von 
Ballin weiß: Bülow dürfte nicht wegen eines Konfliktes mit ihm, 
dem Kaiser, gehen; machten andere Umstände sein Bleiben schwie- 
rig, so werde er ihn nach den Erfahrungen im Novembersturm nicht 
halten. Eine feine Diagonale zwischen dem eigenen sachlichen Inter- 
esse und dem zurückgebliebenen persönlichen Groll. Was konser- 
vative Führer später, nach Bülows Rücktritt, vorbrachten, um 
von ihrer Partei das Odium des Kanzlerstürzens zu nehmen, daß 
nämlich die Absicht des Kanzlerwechsels längst festgestanden habe, 
war eine falsche Nuance der Wahrheit. Die Konservativen wußten 
so gut wie Ballin, daß Bülow nicht mehr unter allen Umständen 
gehalten werden würde, brauchten sich also auch vor kaiserlicher Un- 
gnade nicht zu fürchten, wenn es gelänge, den Fürsten Bülow, den 
Rüttler am geheiligten Klassenwahlrecht in Preußen, durch ihr Ab- 
80
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.