Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

940 Georg von Mayr, Statistik und Politik, insbesondere Verwaltungsstatistik. 
Eine ähnliche Scheidung ausgelöster und unausgelöster statistischer Verwaltung findet sich in 
allen grösseren und mittleren deutschen Staaten, für eine Anzahl von Kleinstasten (6) besteht das 
gemeinsame statistische Bureau vereinigter thüringischer Staaten, nur 3 kleine Staaten haben keine 
besondere Organisation der Statistischen Verwaltung. Besonders reich hat sich in Deutschland 
die Städtestatistik entfaltet; zurzeit haben 47 deutsche Städte eigene statistische Ämter. 
Bei dieser reichen Ausgliederung der deutschen Verwaltungsstatistik bestehen selbstver- 
ständlich sehr bedeutungsvolle Beziehungen zwischen den verschiedenen Organisationsreihen, ins- 
besondere zwischen Reichsstatistik und Landesstatistik und andererseits zwischen Landesstatistik 
und Städtestatistik. Die befriedigende Ausgestaltung der gesamten Verwaltungsstatistik in Deutsch- 
land und im besonderen die Wahrung der bestmöglichen Dienstleistung derselben für die Politik 
in Reich, Staat und Stadt erheischt eine sorgsame Wahrung des für die Reichsstatistik, die Landes- 
statistik und die Städtestatistik sachgemäss zu ordnenden Wirkungskreises der statistischen Ver- 
waltung und insbesondere des diesen verschiedenen Instanzen zu wahrenden Verfügungsrechts 
über das Urmaterial der wichtigsten allgemeinen statistischen Ermittlungen, wie sie beispielsweise 
in unseren Volkszählungen und den Berufs- und Betriebszählungen gegeben sind. Eine unitarische 
Entwicklung, welche das gesamte Urmaterial solcher Erhebungen der städtischen und staatlichen 
Verwaltungsstatistik entzöge, wäre der schwerste Schlag, der gegen die harmonische Entwicklung 
der Reichs-, Landes- und Städtsstatistik geführt werden könnte. Um die Jahreswende 1910/11 
sah es danach aus, als könnte Ähnliches drohen und noch in den Reichstagsverhandlungen über den 
Reichs-Etat 1911 war keine Klärung geschaffen. Seitdem aber kann man die aus zu weitgehen- 
der Zentralisationstendenz des damaligen Leiters der Reichsstatistik erwachsene Gefahr wohl als 
beseitie erachten, jedenfalls muss man dies eindringlichst erwarten; ich möchte deshalb auf den 
hoffentlich nur vorübergehenden schweren Traum besorgter deutscher Statistiker, unter 
denen auch ich mich literarisch gemeldet habe, nicht eingehen — habe auch die bezügliche 
Literatur nicht erwähnt. So möge es denn auch fernerhin, vorbehaltlich gewisser nützlicher Ver- 
schiebungen im einzelnen (sei es zugunsten der Reichsstatistik, sei es zugunsten der Landes- und 
Städtestatistik) dabei bleiben, dass in Deutschland gewisse Zweige der Verwaltungsstatistik, soweit 
die Verarbeitung der Urmaterials und die Veröffentlichung in Frage sind, allein dem Kaiserlichen 
Statistischen Amt verbleiben (unmittelbare oder zentrale Reichsstatistik), 
dass weiter andere Gebiete der Statistik in Materialverarbeitung und Publikation unbeschränkte 
Landessache sind, daraus aber gewisse gleichartig gestaltete Nachweise von den Landesregierungen 
dem Kais. Statistischen Amt zur Verfügung gestellt werden mit dem Vorbehalt, dass in verwaltungs- 
statistisch nicht genügend ausgerüsteten Bundesstaaten deren Regierungen die Übertragung der 
Materialbearbeitung an das Kaiserliche Statistische Amt freisteht (mittelbare oder föde- 
rierte Reichsstatistik). Endlich verbleibt der landesstatistischen wie derstädte- 
statistischen Verwaltungsstatistik je noch ein weiteres Gebiet freier autonomer Entfaltung par- 
tikularen und lokalen Charakters, wobei im einzelnen zwischen Land und 
Staat noch geeignete Sonderverständigungen über die Materialbearbeitung gerade wie auch bei 
der Materialbearbeitung für die förderierte Reichsstatistik vorbehalten bleiben. 
Abschliessend sei nach diesem — notgedrungen kurzen — Ausblick auf das Wesen und die 
Ausgestaltung der Verwaltungsstatistik noch in Anknüpfung an den Anfang dieser Darlegung zu- 
sammenfassend der Bedeutung der Statistik für die Politik und die besonderen politischen Ak- 
tionen gedacht. Die Statistik bietet ein besonders wirksames Mittel einer objektiven fortlaufenden 
oder in einzelnen Zeitpunkten mit Erfolg einsetzenden Beobachtung der Wirkungen vorangegangener 
politischer Aktion. Aus solchen statistischen Erfahrungen über die Vergangenheit können neue 
politische Ziele als erstrebenswert sich darstellen, und dazu können zielbewusst einsetzende besonders 
geartete statistische Massenbeobachtungen für die konkrete Formulierung der in Verfolgung der 
neuen Ziele zu fassenden politischen Entschlüsse die erforderliche sichere Unterlage bieten. Ge- 
schichtlich bestätigt wird die Innigkeit der Beziehungen zwischen Statistik und erfolgreicher Politik 
durch eine Tatsache, die ich einmal bei festlichem Anlass in Worten erwähnt habe und die 
Platzer seinem Jahrbuch der Statistik als Motto beigegeben hat; diese Worte lauten: „Ein auf- 
strebendes Staatswesen liebt die Statistik, ein niedergehendes verachtet siel“
	        
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