Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Georg v. Below, Deutschkonservative und Reichspartei. 3 
ihnen am Herzen lag, ja sogar teilweise einen Ausdruck nivellierend-l politischer Bestrebungen, 
der von einer nationalen Idee kaum etwas übrig liess. Aber gegenwärtig war den Konservativen der 
nationale Gedanke, und zu einer späteren Zeit gewann auch dieldeeder politischen Einigung von ganz 
Deutschland die entschiedenste Zustimmung bei ihnen. 
Die äussere Organisation brachte den konservativen Anschauungen und Bestrebungen das 
Jahr 1848. Jetzt schufen sich die Konservativen ein grosses publizistisches Organ, die Neue Preussi- 
sche (Kreuz-)Zeitung. Sie bildeten Vereine und agitierten. 
Der Kampf von 1848 war wesentlich ein Kampf um die Verfassung. Die Liberalen und die 
Demokraten erhielten als die eifrigsten Verfechter der Forderung einer Verfassung zunächst die 
politische Führung. Sehr bald indessen offenbarte es sich, dass sie der Aufgabe der Führung nicht 
gewachsen waren, nicht zu regieren wussten. Die Konservativen erwiesen sich als die politisch 
Fähigeren. Die konservativen Elemente und die konservativen Anschauungen boten den festeren 
Halt. Man sah überhaupt in einem konservativen Regiment die beste Stütze gegen die Fortsetzung 
oder Erneuerung der Revolution. So bewirkten die Erfahrungen des Revolutionsjahrs eine Ver- 
stärkung der konservativen Position. " 
Mit den konstitutionellen Einrichtungen befreundeten sich die Konservativen seit 1848. 
Zwar hat eine Gruppe sie noch rückgängig machen wollen. Allein solchen Versuchen wurde innerhalb 
der konservativen Partei selbst Widerstand geleistet. Und es bleibt ein Verdienst der Konservativen, 
dass sie unter Ablehnung der Verfassungsformen, die die Volkssouveränetät zum Ausdruck bringen 
wollten, das Recht des Monarchen dauernd verteidigten. Der erste Theoretiker, der klar und scharf 
das monarchische und das parlamentarische Prinzip in der konstitutionellen Verfassung unter- 
schieden hat, ist ein Konservativer gewesen, J. F. Stahl. Er hat die Form der konstitutionellen 
Monarchie empfohlen, die Bismarck zur praktischen Wahrheit gemacht hat und die für Deutschland 
und seine Einzelstaaten die notwendige Verfassungsform ist. 
Das Wahlrecht, das Preussen in jener Zeit erhielt, ist das Dreiklassenwahlrecht. Es sei hier 
angemerkt, dass dies nicht etwa, wie heute so oft behauptet wird, einem besonderen Wunsch des 
Landadels der östlichen Provinzen entsprungen ist. Es ist vielmehr von bürgerlichen rheinischen 
Politikern eingeführt worden und stammt auch aus der Rheinprovinz, nämlich aus der rheinischen 
Gemeindeordnung von 1845. In der Frage des Wahlrechts gingen Konservative und Liberale (anders 
die Demokraten) damals kaum auseinander, wie denn auch in der Zeit der Neuen Ara die Liberalen, 
als sie die Kammermehrheit hatten, nicht daran dachten, das Wahlrecht zu ändern.?) 
Für die spätere Gestaltung der Parteiverhältnisse ist die Politik Bismarcks von eingreifendem 
Einfluss gewesen, und zwar sind zwei Perioden dieses Einflusses zu unterscheiden. 
Die erste setzt mit dem J. 1866 ein. Die territorialen Veränderungen, die damals durchge- 
führt wurden, verstiessen gegen das alte konservative Programm der Legitimität. Trotzdem be- 
kannten sich die preussischen Konservativen (von einer vereinzelten Ausnahme abgesehen) mit 
überraschender Schnelligkeit zu der neuen Gestaltung der Dinge; einer Schnelligkeit, die nur ver- 
ständlich wird, wenn man sich gegenwärtig hält, dass die nationale Idee von jeher in ihrem Kreis 
eine grosse Rolle spielte.) Die Unzufriedenheit mit Bismarcks Werk von 1866 war bei den 
Liberalen (Gervinus!) und gar den Demokraten ungleich mehr verbreitet als bei den Kon- 
servativen. Die Siege von 1866 brachten der konservativen Partei auch bei den politischen 
Wahlen grosse Erfolge. 
Wenn die Konservativen sich also durchaus auf den Boden der neuen Ereignisse stellten und 
von ihnen sogar Nutzen zogen, so waren sie dagegen nicht damit einverstanden, dass Bismarck mit 
seinen Gegnern aus der Konfliktszeit Anknüpfung suchte. Das Indemnitätsgesetz, das diesem 
Zweck diente, berührte viele von ihnen unsympathisch, weil es in Widerspruch mit der verfassungs- 
%) Über diese Verhältnisse, z. B. über Mommsen als Gegner des allgemeinen gleichen Wahlrechts vgl, 
Gustav Mayer, Die Trennung der proletarischen von der bürgerlichen Demokratie in Deutschland (1863—70), 
Archiv für die Geschichte des Sozialismus Bd. 2, S. 3. 
%) Näheres über das Verhältnis der Konservativen zu der nationalen Idee e. in meinem Aufsatz, über die 
Anfänge der konservativen Partei in Preussen.
	        
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