Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

K. Th. von Eheberg, Die Reichssteuergesetze von 1913. 115 
  
sicherung, je nachdem es sich um Kasko- und Baurisikenversicherung oder un sonstige Versicherun- 
gen handelt, 0,5 bezw. I v. H., bei der Einbruchsdiebstahl- und Glasversicherung 10 v. H. der 
Barprämie. Bei der Feuerversicherung wird die Steuer nach der Versicherungssumme bemessen 
und zwar beträgt sie bei beweglichen Gegenständen. 15/ oo pro Jahr oder Y/\ng vom Tausend pro 
Monat also 15 bezw. 1!/, Pfg. von 1000 Mk. oder einem Bruchteil, je nachdem die Versicherung 
auf mindestens 1 Jahr od.r auf kürzere Zeit abgeschlossen ist, bei unbeweglichen Gegenständen 
unter den gleichen Voraussetzungen Y/,, bezw. oo vom Tausend, also 5 Pf. für je 1000 oder 
10000 Mk. Befreit sind Rückversicherungen und solche Versicherungen, welche einzeln oder 
zusammen den Betrag von 3000 Mk. nicht übersteigen, die Versicherungen reichsgesetzlicher 
Art mit Einschluss der auf Grund berggesetzlicher Vorschriften errichteten Knappschaftskassen, 
reine Krank:nversicherungen, Versicherungen von Bediensteten und Arbeitern gegen Todes- 
fall oder Körperverletzung im Gewerbebetrieb und überhaupt alle nicht ausdrücklich als 
steuerpflichtig bezeichneten Versicherungen. Die nötigen Aufschlüsse hat der Versicherer den 
Behörden zu geben... Steuerpflichtig ist der Versicherungsnehmer; jedoch ist die Steuer vom 
Versicherer zu entrichten. Die nunmehr durch das Reich besteuerten Akte dürfen von den 
Bundesstaaten nicht weiter besteuert werden; die Bundesstaaten aber, die bisher aus deren 
Besteuerung Einnahmen gewonnen haben, erhalten bis 31. März 1915 die Durchschnittseinnahme 
der letzten 3 Jahre aus den eingebüssten Abgaben vom Reich ersetzt. 
IIE 
Bei Beurteilung der Reichssteuergesetzgebung vom 3. Juli 1913 wird zunächst die Tatsache 
Beachtung verdienen, dass der ganze grosse Mehrbedarf, auch der einmalige, auf Steuern über- 
nommen worden ist. Von den fortdauernden Mehrausgaben ist dies ja sclbstverständlich, nicht 
dagegen von den einmaligen. Hier lag es nahe, sie ganz oder zu einem erheblichen Teil durch Schuld- 
aufnahme zu bestreiten und vor zwei Jahrzehnten hätte man diesen Weg auch beschritten. Finanz- 
theoretisch wäre er auch nicht zu beanstanden gewesen. Denn die Sicherung des Reiches durch 
Verstärkung seiner Kriegsmacht kommt ebensowohl der Zukunft wie der Gegenwart zugute und es 
wäre kein Fehler gewesen, die Zukunft zur Deckung der einmaligen Ausgaben, mindestens insoweit 
Wert ffen werden, heranzuziehen. Alleinder Inanspruchnahme desKredits, 
mochte sie auch prinzipiell berechtigt sein, standen schwere Bedenken entgegen. In erster Linie 
die Grösse der schon vorhandenen Verschuldung des Reiches und die Sorge vor einer weiteren 
Erhöhung der Zinsenlast für Ausgaben wirtschaftlich unrentabler Natur. Es macht sich eben der 
Jahrzehnte lang geübte Missbrauch im Anleihewesen und inder r Behandlung einmaliger Ausgaben und 
die verk:hrteÜb litik geltend. Ei gund vermehrte Steuer- 
einnahmen zur rechten Zeit hätten der übermässigen Inanspruchnahme des Kredits gesteuert 
und seine Benutzung in der Gegenwart ermöglicht. Nun büssen die Söhne für die Sünden der Väter. 
In zweiter Linie liess all:rdings der gegenwärtige Stand des Kapitalmaıktes mit seinen bohen Zins- 
raten die Aufnahme einer Schuld von so beträchtlicher Höhe durchaus unrätlich erscheinen. 
Es war ein kühner Gedanke, den ganzen einmaligen B:darf und noch etwas darüber durch 
eine ausserordentliche Steuer aufzubringen und sein Urheber hat nicht an Ängstlichkeit gelitten. 
Noch vor einem Jahrzehnt würde man einen solchen G:dar.ken für utopisch gehalten haben. Eshat 
auch nicht an erfahrenen Leuten, Theoretik.:rn und Praktik :rn, gefehlt, die ihm bei seinem Bekannt- 
werden achselzuckend und kopfschüttelnd gegenüberstanden. Aber vieleicht war es gerade die 
Einfachheit und Grosszügigkeit des Gedankens, die jede ernsthafte Opposition verstummen liess. 
Wird der Finanzpolitiker es freudig begrüssen, dass sich ein Weg gefunden hat, den neuen 
Mehrbedarf ohne Schuldenmehrung zu decken, so wird der Sozialpolitiker sich nicht minder be- 
friedigt fühl:n, über die Art und Weise, wie die Steuerdeckung erfolgt ist. Schon seit längerem, 
besonders seit der Finanzreform von 1908/9 wurde die Forderung erhoben, neue Lasten nicht mehr 
auf den Verbrauch, sondern auf den Besitz zu legen. Die „Besitzsteuer‘ wurde ein Programmpunkt 
weiter Kreise der Volksvertretung und der öffentlichen Meinung. Wie diese Steuer beschaffen 
sein sollte, war unklar; aber das Wort hatte eine suggestive Kraft. Vielleicht weil es so unbestimmt 
war und sich jeder darunter denken konnte, was er wünschte: der eine die Ausgestaltung der Erb- 
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