132 K. Th. von Eheberg, Steuerreformen.
der eine von den Institutionen des Staates mehr Vorteil zieht als der andere. Es ist möglich, dass
der Ausbau der Flotte die Dividenden der Gesellschaften erhöht, die den Schiffsbau betreiben,
dass er den Umsatz der exportierenden Händler und Industriellen erhöht, dass er den Auslands-
geschäften inländischerKapitalisten und Unternehmer grössereSicherheit verleiht. Aberabgesehen
davon, dass der Staat auch daran durch höhere Erträge der Einkommen-, Vermögens-, Verkehrs-
steuern usw. teil nimmt, kommt der Aufschwung in Handel und Industrie auch den Arbeitern durch
höhere Löhne oder Erweiterung der Arbeitsgelegenheiten, zahlreichen Gewerben durch Erhöhung
der Kaufkraft, Zunahme der Konsumtion usw. zugute. Und jedenfalls ist das eine sicher, dass es
an jeder Möglichkeit fehlt, das Mehr an Vorteilen, das der eine etwa gegenüber dem anderen hat,
einwandfrei festzustellen, so dass es zur Grundlage der Steuerausteilung gemacht werden könnte.
Es bleibt nichts anderesübrig, alsdie Steuer alseineGegenleistung für die Erfüllung derallgemeinen
Staatsuufgaben anzusehen und die Verpflichtung zu ihrer Entrichtung allen denen aufzulegen, die
der Stuatsleistungen teilhaftig sind. Und der Massstab der Steuerausteilung kann dann nur in der
Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen gefunden werden.
Allein mit dem Bekenntnis zu dieser Auffassung sind die Schwierigkeiten keineswegs er-
ledigt. Im Gegenteil; sie beginnen ersteigentlich damit. Denn sofort wird sich die Frage erheben,
welche Steuer oder welches Steuersystem geeignet sei, die Besteuerung nach der Leistungsfälig-
keit zu verwirklichen.
Man hat sich inder Wissenschaft zunächst darüber geeinigt, dass die Grösse des Einkommens
der beste Gradmesser der Leistungsfähigkeit sei. Wobei unter Einkommen die Summe der
Reinerträge zu verstehen ist, über die der einzelne verfügen kann, ohne den Vermögensstamm an-
greifen zu müssen. Allein man konnte sich doch auch nicht der Tatsache verschliessen, dass zwei
Personen mit gleich grossem Einkommen verschieden leistungsfähig sind je nach der Art ihres
Einkommens, d. h. je nach der Quelle, aus der das Einkommen fliesst. Und es wird nicht bestritten
werden können, dass das aus Besitzquellen fliessende, mit Hilfe von Immobiliar- oder Mobiliar-
werten erzielte Einkommen im allgemeinen gesicherter ist als das reine Arbeitseinkommen. Denn
das Einkommen aus Grund-, Haus- und Kapitalbesitz, einschliesslich des in Gewerbe und Handel
investierten Vermögens, entspringt aus dauernden Quellen, gibt seinem Besitzer auch nach Ein-
stellung der Arbeit und in vielen Fällen ohne irgend eine Arbeitsleistung ein Renteneinkommen,
überdauert zumeist die Person des Besitzers und sichert die Zukunft seiner Rechtsnachfolger. Das
nicht fundierte Einkommen dagegen steht und fällt mit der Person des Erwerbers, ist schwankend
und versiegt mit Alter und Krankheit, und die Zukunft der Familie kann nur dadurch mehr oder
weniger gesichert werden, dass es dem Erwerber gelingt, aus seinem Einkommen Rücklagen zu
machen. Aber die eingehende Erörterung des Problems der Besteuerung nach der Leistungs-
fähigkeit hat sich auch mit der höheren Belastung des fundierten Einkommens nicht zufrieden
gegeben: nicht nur die Grösse und Art des Einkommens soll der Steuergesetzgeber beim Ausmass
der Steuer in Rechnung setzen, sondern er soll auch die individuelle Leistungsfähigkeit, die von
der durchschnittlichen, durch eine bestimmte Eiukommensgrösse und -art verbürgten erheblich
abweichen kann, in Rücksicht ziehen. Es ist nicht zu bestreiten, dass von zwei Personen mit gleich
grossem und gleichartigem Einkommen, es dem einen, der mehr Kinder aufzuziehen oder mehr
Angehörige zu unterhalten hat wie der andere, oder der Krankheiten und sonstiges Missgeschick
im Hause hat, von dem der andere verschont blieb, viel schwerer fallen wird, die gleiche Steuer-
summe zu entrichten wie dem andern. Die neuere Gesetzgebung hat diesem Umstande auch Rech-
nung zu tragen gesucht. Allein anschliessend an solche Erwägungen haben sich in der letzten Zeit
Stimmen erhoben, die zwar grundsätzlich für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ein-
treten, aber diese nicht nach der Grösse des Einkommens sondern nach dem ‚Überfluss‘ oler nach
der „Ersparungsmöglichkeit“ wollen bemessen wissen. Es solle, sagt man, nicht nur die Grösse
des Einkommens sondern auch der individuelle Verbrauch berücksichtigt werden. Die Steuer
könne nur dann als der Leistungsfühigkeit entsprechend angesehen werden, wenn sie für jeden das
gleiche Opfer bedeutet. Nun könne aber bei gleichen Einkommensgrössen eine gleich hohe
Steuer für zwei Steuersubjekte ganz verschieden schwer treffen, wenn der eine der beiden Steuer-
pflichtigen gezwungen sei, jährlich grössere Ausgaben zu machen, z. B. weil die Zahl seiner Familien-