Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Friedrich Zahn, Das Deutsche Volk. 309 
Das Gesagte ist auch zu berücksichtigen bei Betrachtung einer weiteren bemerkenswerten Er- 
scheinunginunserersozialen Umschichtung,nämlichderAusdehnungdes Frauenerwerbs. 
In der Statistik tritt der Frauenerwerb gegenüber der Männerarbeit bedeutend zurück. 
Es wurden 1907 gezählt 18,6 Millionen männliche Erwerbstätige oder 61,06 % der männlichen Be- 
völkerung, 9,5 Millionen weibliche Erwerbstätige oder 30,37 % der weiblichen Bevölkerung. In 
dieser Erwerbsziffer ist nicht inbegriffen die Hausfrauentätigkeit, ihre Kinderfürsorge, kurz jenes 
natürliche Arbeitsgebiet des weiblichen Geschlechts, das in seinem volkswirtschaftlichen Wert 
keineswegs hinter der anderen Erwerbstätigkeit zurücksteht. Immerhin ist eine von Zählung zu 
Zählung steigende Beteiligung der Frau am allgemeinen Erwerbs- 
leben zu konstatieren: 
Jahr Weibliche Erwerbstätige Prozentanteil an der weiblichen 
(einschl. Dienstboten) Bevölkerung 
1882 5541517 24,02 
1895 6578 350 24,96 
1907 9 492 881 30,37 
Darnach wären seit 1895 nicht weniger als 2,9 Millionen, seit 1882 fast 4 Millionen Frauen 
mehr in das Erwerbsleben eingetreten. Ein solcher Grad der Zunahme ist, wie schon oben angedeutet, 
jedoch kaum erfolgt, es handelt sich bei diesen Zahlen zum guten Teil um Verschiebungen formaler 
Art, die lediglich auf schärfere Erfassung der Mithilfe von Familienangehörigen beruhen, die früher 
in der Gruppe der Familienangehörigen gezählt wurden, jetzt in der Gruppe der Erwerbstätigen 
erscheinen. 
Gleichwohl bleibt die tatsächliche Vermehrung der weiblichen Erwerbstätigen gross. Haupt- 
sächlich vollzogsiesichinderKlasse der mithelfenden Familienangehörigen 
undinderKlasse der Arbeiterinnen: 
  
Weibliche Erwerbstätige Zunahme bezw. Abnahme (—) 
im Jahre 1907 seit 1895 seit 1882 
abs. % abs, % abs. % 
a Selbständige... . . . 1197 593 12,62 26 148 223 | 118 462 10,98 
b Angestellte... .. 192 619 2,03 | 133 577 | 256.42 168 407 695.55 
G Häusliche Dienstboten 1249 383 13,16 — 61574 — 4941 — 33031 — 2,55 
e1 Mithelfende Familien- 
angehörige. . . . - 3177734 | 33,47 2 018790 174,19 
c2—5 Sonstige Arbeite- | 3697526 | 117,17 
INDEn ee. 3675552 | 38,72 795 590 27.63 |J | 
Zusammen... 22... 9492881 | 100 I 2914531 | 44380 | 3951364 | 71,30 
Das Plus der mithelfenden Familienangehörigen (1895 bis 1907: 2 Millionen) entfällt vor- 
nchmlich auf die Landwirtschaft (1,8 Millionen); am Rest von 200 000 ist der Handel mehr als 
doppelt so stark wie die Industrie beteiligt (136 000 bezw. 55000). Das Plus an Arbeiterinnen 
von rund 800 000 (1895/1907) hat fast zur Hälfte in Gewerbe und Industrie Unterkommen ge- 
funden, im übrigen im Handel, bei Lohnarbeit wechselnder Art und ausserdem in Landwirtschaft 
und in freien Berufen. 
Diese Vermehrung der weiblichen Erwerbsarbeit bedeutet, wie ausdrücklich erwähnt sei, 
nicht etwa eine Verdrängung der Männerarbeit durch Frauen. Haben doch die männlichen Erwerbs- 
tätigen 1895/1907 um über 3 Millionen zugenommen (überwiegend in der Klasse der Arbeiter bei 
Industrie und Handel). Die Männerarbeit stellt nach wie vor das Hauptkontingent unserer Erwerbs- 
kraft, wenn auch der Abstand zwischen den Geschlechtern sich im Laufe der letzten Jahrzehnte 
abschwächte. Aber es hat sich die Erwerbsgelegenheit im ganzen, dank des Aufschwungs von 
Gewerbe, Handel und Verkehr, vermehrt und daran partizipieren neben den männlichen auch die 
weiblichen Personen und zwar letztere mit um deswillen, weil sie in der modernen (mehr auf Ord- 
‘sung des Konsums als auf Produktion sich erstreckenden) Hauswirtschaft keine genügende Be- 
nchäftigung mehr finden und wegen der anspruchsvolleren Haushaltung und des teurer gewordenen 
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band II. IH
	        
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