C.J. Fuchs, Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Wirtschaftspolitik. 231
Geburten in bezug auf minderwertige Rassenelemente kommt in Betracht. Nach dieser Rich-
tung hat die Sozial- und Rassenhygiene (die generative Hygiene) und vielleicht die Gesetzgebung
selbst die künstliche Geburtenbeschränkung wohl mehr als bisher auszugestalten, zu überwachen
und durchzuführen. Unser Volkskapital hat kein Interesse daran, durch die Alkoholisten, Psycho-
paten, Schwindsüchtigen und all das grosse Heer der missratenen Stiefkinder der Schöpfung mit
höchst zweifelhaften Werten vermehrt zu werden. Deren Kinder bleiben, um mit Hans von Hentig
zu reden, besser nicht geboren. Es muss im Wege rationeller Rassenhygiene, (auch durch frei-
williges Zölibat) die Erzeugung von Minusvarianten vermindert und verhindert werden. Denn „ein
Volk‘, wie M. v. Gruber zutreffend sagt, „ist nicht die Summe der augenblicklich Lebenden, sondern
der grossen Kette von Generationen. Volksgesundheit ist letzten Endes Gesundheit und Keimstoff.
Ihr einziges verlässiges Kennzeichen ist die ungestörte Erzeugung einer zahlreichen und tüchtigen
Nachkommenschaft.‘‘ Salus societatis suprema lex.
44. Abschnitt.
Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen
Wirtschaftspolitik.
Von
Dr. Carl Johannes Fuchs,
0. Professor der Volkswirtschaftsiehre an der Universität Tübingen.
Literatur:
G. Adler, Die Epochen der deutschen Handwerkerpolitik. 1903. — v. Below, Territorium und Stadt.
1900. — Bucher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. 8. Aufl. 1911. — Derselbe. Art. „Gewerbe im
Handwörterbuch der Staatswissenschaften. — A.Cremer, Die Bedeutung des preussischen Zollgesetzes von 1818
für die Entwicklung Preussens und den deutschen Zollverein, 1891. — Fuchs, Die Epochen der deutschen
Agrargeschichte und Agrarpoliiik, 1898. — Derselbe, Artikel „Bauer“ und „Bauernbefreiung* im Wörterbuch
der Volkswirtschaft (hier auch weitere Literatur). — De Ibe, Die Handelspolitik Englands und seiner
Kolonien, 1893. — Knapp, Georg Friedrich, Der Untergang es Bauernstandes und der Ursprung der Land-
arbeiter in den alten Provinzen Preussens, 1887. — v. Rohrscheidt. Vom Zuuftzwang zur Gewerbefreiheit,
1898. — Schmoller, Das preussische Handels- und Zollgesetz von 1818. Rede 1895. — Derxselbe, Zur
Geschichte der deutschen Kleingewerbe, 1870. — Sieveking, Grundzüge der neueren Wirtschaftsgeschichte
vom 17. Jahrh. bis zur Gegenwart (Grundriss der Geschichtswissenschaft von Meister, Ba. Il) 1907. 2. Aufl. 1913. —
— Sombart, Der moderne Kapitalismus, 2 B. 1902. — Derselbe, Die Juden und das Wirtschaftsleben 1911.
I.
Die erste und wichtigste geschichtliche Grundlage der heutigen deutschen Wirtschaftspolitik
bildet die Agrargeschichte. Denn alle Probleme der heutigen deutschen Volkswirtschaft
wurzeln schliesslich in der eigentümlichen Agrarverfassung des Deutschen Reiches, die das Produkt
der deutschen Agrargeschichte ist. Es handelt sich da vor allem um den bekannten ‚„‚Dualismus“
zwischen ostelbischem und westelbischem Deutschland — dort das Vorherrschende
grosse Güter, hier bäuerliche Wirtschaften —, der nicht nur in der heutigen Agrarpolitik
und Handelspolitik, sondern ebenso auch in der Gewerbepolitik, insbesondere der gewerblichen
Arbeiterfrage der Industrie, in der Wohnungsfrage und in allen anderen einzelnen sozialen Fragen
sich geltend macht. Aber bei näherer Betrachtung ist der eine dieser beiden Teile, der Westen,
selbst nicht einheitlich, sondern in sich weiter gegliedert: wir haben nämlich zwei Gebiete der