Bernhard Harms, Weltwirtschaft und äussere Wirtschaftspolitik. 359
den wirtschaftlichen Einfluss seiner Nachbarländer in den Mittelmeergebieten zu durchkreuzen,
das alles erfordert nicht minder die Aufmerksamkeit unserer auswärtigen Politik.
Angesichts so heissen Ringens um den Weltmarkt könnte die Frage entstehen, ob dessen
Entwicklungsmöglichkeiten überhaupt ausreichen, um auf ihnen ein Stück Zukunftsbild des eigenen
Landes aufzubauen. Es fehlt in Deutschland im Hinblick hierauf nicht an pessimistischen Prophe-
zeihungen. Erst kürzlich hat ein Autor den Zusammenbruch des „industriellen Systems‘ in grellen
Farben an die Wand gemalt und seine warnende Stimme erhoben. Demgegenüber ist jedoch darauf
hinzuweisen, dass die Entwicklungsmöglichkeiten in der Welt noch ganz ungeheure sind, dass vor
allem für die Erschliessung landwirtschaftlicher Neuländer noch gewaltiger Spielraum vorhanden ist
— und die Sorge, es möchte einmal die objektive Möglichkeit der Ernährung der Völker dieser Erde
aufhören, überhaupt nicht diskutierbar ist. Allein Argentinien, das den ganzen Weizenbedarf der
Welt decken könnte, ist mit seinem das Deutsche Reich 5 mal übertreffendem Gebiet erst zu ca. 6 %
unter den Pflug genommen. Kanada, das an Umfang die Vereinigten Staaten von Amerika über-
trifft, wird in den grossen Gebieten seines Westens eben erst besiedelt und bietet für absehbare
Zeit ein unerschöpfliches Reservoir für den Bezug von agrarischen Erzeugnissen. Auch die Getreide-
länder im Stromgebiet des Euphrat und Tigris werden für die künftige Versorgung Europas von
nicht zu unterschätzender Bedeutung sein. Ein grosses Weizengebiet ist ferner rm Norden Indiens
mit Hilfe des genialen englischen Bewässerungssystems, das die Fluten des Indus hunderte von
Meilen über bisher trockenen Boden leitet, im Entstehen begriffen. Und das sind nur die grossen Ge-
biete, denen sich leicht eine ganze Reihe von kleineren anschliessen liessen. Welche Zukunftsmög-
lichkeiten bietet z.B. allein Sibirien. Kurzum, dass es einmal mit den Nahrungsmitteln zu Ende
gehen könnte, ist nicht anzunehmen. So lange aber der Anbau von Nahrungsmitteln sich erweitern
und rationalisieren lässt, entsteht immer wieder aufs neue die Grundlage für industrielle Tätigkeit,
denn alle noch zu erschliessenden Agrargebiete werden Abnehmer gewerblicher Erzeugnisse sein.
Eines ist freilich zuzugeben, der Kampf auf dem Weltmarkt hat sich verschärft und wird sich
weiter verschärfen. Vielleicht darf man auch aus der Geschichte die Lehre ziehen, dass es immer
Völker geben wird, die an politischer und wirtschaftlicher Macht die andern überragen. Die Tendenz
zum Grossbetrieb mit der Begleiterscheinung des Übergreifens in die Sphäre kleinerer Betriebsformen
macht sich nirgends stärker geltend als im Stastenleben. Es ist deshalb auch nicht ausgeschlossen,
sogar nicht einmal unwahrscheinlich, dass auch künftig grosse Auseinandersetzungen zwischen den
Völkern Platz greifen werden. Warum soll das, was gleichsam als ehernes Gesetz die Menschheit
von den Uranfängen bis auf unsere Tage begleitet hat, der Kampf, aus dem Völkerleben verschwinden.
So wünschenswert es vielleicht wäre, wahrscheinlich ist es nicht. Mögen solche Kämpfe in
der Form des Waffenganges oder in friedlichem kommerziellen Wettbewerb ausgefochten werden,
eines ist sicher: es gilt, beizeiten.das Rüstzeug sicher zu stellen, um gegen alle Möglichkeiten ge-
schützt zu sein. Dass zu diesem Rüstzeug in erster Linie ein schlagfertiges Heer gehört, und eine
Flotte, die anzugreifen unter allen Umständen auch mit schweren Verlusten für den Gegner ver-
bunden ist, darf nachgeradezu als die in fester Überzeugung wurzelnde Erkenntnis aller Einsich-
tigen bezeichnet werden. Ich habe ja schon darauf hingewiesen, dass gerade Deutschland vermöge
seiner exponierten Lage wie kaum eine andere Macht darauf Bedacht nehmen muss, seine mili-
tärische Macht zu Wasser und zu Lande in steter Bereitschaft zu halten. Denn wenn auch eine
gewisse Wahrheit in dem Satze liegt, den vor kurzem ein amerikanischer Staatsmann aussprach,
dass für die künftigen Kämpfe der Nationen nicht das Schwert, sondern der Dollar entscheidend sei,
so zeigen doch wieder die jüngsten politischen Ereignisse, dass es allein mit finanzieller, kommerzieller
und industrieller Tüchtigkeit nicht getan ist, sondern hinter dem Kaufmann der starke Staat stehen
muss, der ihm die Möglichkeit friedlichen Wettbewerbs überhaupt erst garantiert.
Es hiesse aber die weltpolitischen Aufgaben Deutschlands völlig verkennen, wenn ihr Schwer-
gewicht allein in der Sicherung unserer militärischen Machtstellung gesucht würde. Auf so einfache
Formel lässt sich eine Weltpolitik, die im wesentlichen Weltwirtschaftspolitik ist, heute nicht mehr
bringen. Ein gut Teil unserer Rüstung findet z.B. je länger desto mehr seinen Niederschlag in handels-
und zollpolitischen Massnahmen, so dass wir beständig darüber zu wachen haben, ob wir mit unserem
System der Handels- und Zollpolitik auf dem richtigen Wege sind. Darüber ist an anderer Stelle
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