Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Georg Eger, Eisenbahnwesen. 65 
  
die einzelnen Gesetze. (BO.EVO. Eisenbahnpostgesetz). Damit das Eisenbahnamt seinen Pflichten 
gerecht werden kann, ist ihm die Befugnis erteilt, innerhalb seiner Zuständigkeit über alle Ein- 
richtungen und Massregeln der Eisenbahnverwaltungen Auskunft zu fordern. In bestimmten Fällen 
sind die Bundesregierungen verpflichtet, Ausführungsbestimmungen zu den Reichsgesetzen und 
Verordnungen eisenbahnrechtlichen Inhalts dem Eisenbahnamt mitzuteilen, ebenso auch Tarife, 
Fahrpläne, wichtige Entscheidungen, statistisches Material. Vornehmlich muss dem Reichseisen- 
bahnamt vor jeder Konzession einer Bahn das gesamte Material vorgelegt und seine Erklärung 
abgewartet werden. 
Neben diese auf verfassungsmässigen Äusserungen der Reichsgewalt beruhenden Mass- 
nahmen zur Herstellung eines einheitlichen Eisenbahnnetzes sind ferner die auf freier, privater und 
staatsrechtlicher Übereinkunft zwischen den Eisenbahnstaaten und Eisenbahnverwaltungen be- 
ruhenden Einheitsbestrebungen getreten. Auf privater Grundlage beruht der 1846 gegründete 
Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, dessen Verdienste um die Herstellung einer Verkehrs- 
Einheit nicht nur innerhalb des deutschen Reichs sondern auch zwischen diesem und seinen Nach- 
barstaaten ausserordentliche sind. Sie beruhen sowohl auf der schon vor der Gründung des Reichs 
herbeigeführten Einheit im Bau und Betrieb, sowie im Tarifwesen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben 
sind besondere Ausschüsse gebildet, denen die Vorbereitung obliegt; die Beschlussfassung erfolgt 
durch die Generalkonferenz. Auf einer Regelung durch Staatsvertrag beruht der Übergang der 
Betriebsmittel (Wagen, Lokomotiven) von einer Bahn zur andern. Schon im Jahre 1855 wurde 
durch den Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen für das Vereinsgebiet ein Vereins-Wagen- 
übereinkommen (Regulativ) beschlossen. Die Bemühungen, eine allgemeine deutsche Betriebs- 
mittelgemeinschaft zu begründen, sind bisher gescheitert. Jedoch ist es gelungen, seit dem 
1. April 1909 alle Staatsbahnbetriebe im Reich in dem deutschen Staatsbahnwagenverband zu 
einigen (Güterwagengemeinschaft) ‚Erweiterung des Preuss. Staatsbahnwagenverbandes, dem 
auch die Eisenbahnen Oldenburgs und Mecklenburgs angehören). Die Leitung liegt dem Eisenbahn- 
zentralamt in Berlin ob. Zur Fortentwicklung der Vorschriften für die Bauart, Unterhaltung 
und Ausmusterung der Güterwagen besteht nach $ 13, 5 des Übereinkommens ein Güterwagen- 
und ein Werkstättenausschuss, in dem alle Verbandsverwaltungen vertreten sind. Die Möglich- 
keit, auch im internationalen Verkehr einen Übergang der Betriebsmittel der einen Bahn auf 
andere fremde Strecken herbeizuführen, ist durch das bereits erwähnte Abkommen über die tech- 
nische Einheit im Eisenbahnwesen gegeben!) 
IH. Finanzpolitik. 
£3. Vom privatwirtschaftlichen Standpunkte ist die Eisenbahn ein auf Erzielung möglichst 
hoher Gewinne gerichtetes Gewerbe (nicht im Sinne der Reichsgewerbeordnung! s. $ 6 GO.). Die 
Privatbahnen werden auch, beschränkt allerdings durch die im Staatsinteresse gegebenen Vor- 
schriften, als ein solches Gewerbe betrieben. Ihre Finanzverwaltung richtet sich nach ausschliess- 
lich kaufmännischen Grunds’tzen und soweit besondere Vorschriften gegeben sind, nach den Be- 
stimmungen des HGB. (Bilanz-Reservefonds der A. Gesellschaften, Abschreibungen). 
Für die staatlichen Bahnen ist in neuerer Zeit mehr und mehr der Grundsa’z durchge- 
drungen, dass die Eisenbahnen den Charakter öffentlicher Strassen und Verkehrsanstalten haben. 
In Betreff der öffentlichen Strassen war aber allmählich die Auffassung herrschend geworden, dass 
der Staat sie nicht als Finanzquelle (Regal) zu benutzen, sondern nur das Wegehoheitsrecht, d. h. 
das Recht der Gesetzgebung und Aufsicht über sie zum Zwecke der Förderung des öffentlichen 
Verkehrs, auszuüben und daher soweit der Staat selbst Eigentümer der Strassen sei, aus deren 
Benutzung nur die Ausgaben zu decken, nicht Einkünfte zu ziehen habe. 
Jener staatsrechtliche Grundsatz ist aber freilich bisher noch nicht zur vollen Anerkennung 
und Durchführung gelangt. Das preuss. Eisenbahngesetz vom 3. 11. 1838 (G.S. 1838, S. 505—516) 
stand zwar auf dieser Basis. Denn im $8 N. 5 l.c. wird die Eisenbahn als eine öffentliche Strasse 
1) Vgl. hierzu Stegemann, Zur Vereinheitlichung d. deutschen Eisenbahnen, Deutsche Revue, März- 
heft 1911.
	        
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