2368 Georg Eger, Eisenbahnwesen.
verbundene Umladung verzögerte den Verkehr. Es machte sich daher das’ Bestreben geltend,
die direkte Abfertigung zu ermöglichen. Dahin gehörte die Beförderung mittels durchgehenden
Frachtbriefes, beim Personenverkehr die Einführung direkter Fahrkarten, direkter Tarife usw.
Das endliche Ziel dieser Entwickelung war die Aufstellung einheitlicher Transportbedingungen
durch Herausgabe gleichartiger Betriebsreglements (Verbandsreglements). Der V.D.E. gab 1847
ein Güter- und ein Personenvereinsreglement heraus. Die erste gesetzliche Regelung des Eisen-
bahntransportrechts erfolgte durch das Allg.’D. Handelsgesetzbuch. Durch die Gründung des
Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches wurde ‚dieses gemeines Recht des
Deutschen Reichs. Ferner erhielt das Reich eine weitgehende Zuständigkeit auf dem Gebiete des
Eisenbahnwesens, indem $ 45 bestimmte, dass baldigst auf allen Eisenbahnen übereinstimmende
Betriebsreglements eingeführt werden sollten. Diese Forderung wurde dadurch erfüllt, dass der
Bundesrat (für den Norddeutschen Bund) am 10. Juni 1870 ein Betriebsreglement für die Eisen-
bahnen im Norddeutschen Bunde einführte und nach der Gründung des Reiches mit dem 1. Januar
1872 auf alle Eisenbahnen im Reiche ausdehnte. (1874 revidiert.)
Für den inneren deutschen Verkehr wurde eine neue Verkehrsordnung für die Eisenbahnen
Deutschlands am 15. November 1892, mit Geltung vom 1. Januar 1893 eingeführt. Dem am 1. 1.1900
in Kraft getretenen HGB., dessen Bestimmungen das Frachtrecht in wesentlichen Punkten um-
gestalteten, folgte am 26. Oktober 1899 eine neue Eisenbahnverkehrsordnung (RGBl. 99 S. 557 ff.)
mit Geltung vom 1. Januar 1900, die jetzt wiederum durch die am 1. April 1909 in Kraft getretene
EVO. vom 23. Dezember 1908 (RGBl. 1909 S. 93) ersetzt worden ist. Die EVO. ist dadurch, dass
das HGB. selbst die Regelung bestimmter Gegenstände der Verkehrsordnung überweist, eine
gesetzesgleiche Rechtsverordnung geworden.“
Die tarifarischen Bestimmungen der Verwaltungen zu den beiden Rechtsverordnungen haben
nur reglementarische und keine gesetzesähnliche Kraft. Änderungen der EVO. können nur end-
gültig vom Bundesrat erfolgen; jedoch kann das Reichseisenbahnamt vorläufige oder vorüber-
gehende Änderungen einzelner Vorschriften der EVO. allgemein oder für bestimmte Bahnstrecken
oder Verkehrsbeziehungen im Einverständnis mit der Landesaufsichtsbehörde verfügen. Derartige
Verfügungen werden im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und im Reichsanzeiger bekannt gemacht.
Die Zunahme des Verkehrs drängte allmählich zu einer Regelung des internationalen Güter-
verkehrs auf der Grundlage eines Staatsvertrages. Diese Regelung erfolgte auf Anregung der Schweiz
(1876) nach drei Konferenzen im Jahre 1890 durch die Berner Konferenz. Die Konferenz, an der
Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Oesterreich-Ungarn,
Russland und die Schweiz beteiligt waren, beschloss am 14. Oktober 1890 dasinternationale
Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr,) welches im wesent-
lichen auf den eisenbahnfrachtrechtlichen Normen des deutschen und französischen Rechts beruht.
Das Übereinkommen trat am 1. Januar 1893 in Kraft. Das letzte Zusatzübereinkommen datiert
vom 19. September 1906. Es enthält eine Reihe wesentlicher Abänderungen der Vereinbarung und
ist am 22. Dezember 1908 in Kraft getreten. Die Revision findet alle 5 Jahre statt. Der Beitritt
neuer Staaten erfolgt durch Anmeldung bei der schweizerischen Regierung. Beigetreten sind bisher
Dänemark, Norwegen, Schweden, Rumänien, Bulgarien. Bereits unterm 30. Mai 1911 abgeschlossen,
aber noch nicht ratifiziert, ist ein Int. Üb. über die Beförderung von Personen und Reisegepäck.
Seit dem Jahre 1902 besteht das internationale Transportkomitee, das für den internationalen
Verkehr dieselbe Tätigkeit ausübt, wie die Generalkonferenz im Geltungsgebiete der Verkehrs-
ordnung ($$ 2 u. 7). Dieses Komitee hat einheitliche Zusatzbestimmungen zu dem Übereinkommen
ausgearbeitet, welche von sämtlichen Eisenbahnen — mit Ausnahme der russischen — ein-
geführt sind.
$ 6. Von besonderer Wichtigkeit ist die Verkehrsleitung (Instradierung). Während im
Personenverkehr selbstverständlich dem Reisenden allein die Wahl des Weges aut Grund des Fahr-
4) Vgl. hierzu Laband, Staatsrecht I. $$ 55, 65. Eger, Kommentar zur E.V.O. S.2. Zorn,
Staatsrecht $$ 6, 7.
®) Kommentar von Eger 3. Aufl. 1909.